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Brief_11: Gödel-Ausgabe: (Goedel_GG_011.doc)
Günther to Gödel

3407 Montrose Ave.
Richmond 22, Va.
April, 7, 1957


Hochverehrter Herr Prof. Gödel,

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Es ist immer eine Freude einen Brief von Ihnen zu erhalten. Dieser aber war ein ganz besonderes Geschenk! Doch davon später. Erst möchte ich das Technische erledigen. Ich habe Ihren Weisungen folgend ein kleines Päckchen von Sachen von mir zusammengestellt, das Montag per Post an Sie abgeht. Ich muss sagen, ich bin ziemlich entsetzt bei dieser Gelegenheit entdeckt zu haben wie wenig Sachen ich noch von meinen früheren Publikationen übrig habe. Meine Bibliothek und meine meisten anderen Sachen (auch Manuskripte) musste ich bei meiner Auswanderung (1937) in Berlin zurück lassen. 1944 fiel eine Bombe auf das Haus, wo die Dinge waren und alles wurde vernichtet. Ich wäre in keiner Verlegenheit, wenn es sich darum handelte Ihnen unveröffentlichte Sachen zu schicken. Ich habe Berge davon! Aber ich habe überhaupt sehr wenig veröffentlicht (alles in allem etwa 28 Titel). Gemessen an der Idee einer trans-klassischen Logik, wie ich sie seit der Veröffentlichung meines Buches: Grundzüge einer neuen Theorie des Denkens in Hegels Logik, habe, erscheint mir alles, was ich bisher in dieser Richtung zustande gebracht habe, zu provisorische und noch viel zu weit von meinem eigentlichen Ziel entfernt. Das ist der Grund, warum fast alle meine Veröffentlichungen in den letzten Jahren mehr nach der populären Seite hin liegen. Aus diesem Grunde habe ich mich doch entschlossen Ihnen wenigstens zwei sich an das breitere Publikum wendende Aufsätze beizulegen. Ich meine die Schlusskommentare, die den beiden Weltraumbüchern angehängt sind.

Der Anhang zu der Raum und Zeit Anthologie beschäftigt sich mit dem geschichtsmetaphysischen Problem, das aus der Idee einer nicht-aristotelischen Logik erwächst. Eine solche Logik impliziert ein neues geschichtliches Bewusstsein des Menschen. Ich bin der Ansicht, dass ein solches in Amerika in der Bildung begriffen ist, und zu ganz neuen geschichtlichen Daseinsformen führen wird. Und ich erläutere das an einem literarischen Symptom, der Science-Fiction-Literatur. Das Nachwort zu dem Asimowschen Robotbuch, das ich unter dem Titel "Die zweite Maschine" angefügt habe, beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Bewusstsein und Mechanismus. D.h., mit der Frage: wie weit ist es möglich, menschliche Bewusstseinsfunktionen auf technische Mechanismen zu übertragen. In beiden Fällen handelt es sich um ganz seriöse Probleme, die aus der generellen Konzeption einer trans-klassischen Logik entspringen - wenn auch die für das breitere Publikum berechnete Darstellung mich gezwungen hat, oft Formulierungen zu wählen,