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1.3 Die Überwindung des Todes in der Maschine


Trotz dieses letzten Defizits ist der faustischen Kultur mit der Maschine ein Instrument gegeben, mithilfe dessen sie eine qualitative Grenze zwischen sich und die anderen regionalen Hochkulturen setzen kann. Denn allein mit dieser, wenn auch wie gesehen schließlich wieder nur partiellen Objektivation der formalen Subjektivität, ist es ihr möglich, aus dem Kreislauf der Wiederkehr in das einende Absolute der zweiten Religiosität auszubrechen.

Auf der einwertigen Bewußtseinsstufe befindet sich das Ich in ungespaltener Einheit mit der es umgebenden Welt, der vollprimitive" Mensch ist von dem Widerspruch noch unberührt, in dem das zweiwertige Bewußtsein sich zum einen auf der Ebene inhaltlicher Bestimmung als absoluten Gegensatz zur Welt erfährt, es auf der anderen Seite aber die formale Spontaneität seines erlebenden Selbstes"1 nur qua seiner Leiblichkeit, mithin also immer nur als Teil seiner Außenwelt erfahren kann. Dieser Widerspruch versetzt das zweiwertige Bewußtsein in eine existentielle Instabilität, da die gleichsam umweltlich erfahrene Subjektivität dem Verdikt der Hinfälligkeit anheimgegeben ist. Die ganze intensive Symbolik seiner Vergänglichkeit, die dem höheren Menschen in seiner Reflexion begegnet, ist dem Naturmenschen unbekannt [...] Erst in den Hochkulturen tritt der Tod als absoluter Horizont des Daseins für den Menschen auf."2 Zwangsläufig erwächst dem Menschen der zweiten Geschichtsstufe das Bemühen, diese Instabilität zu kompensieren oder gar zu bewältigen, die materiale Substanz seines Ichs wird aus dem unsicheren Selbst in Form der historischen Institutionen in die empirische Realität projiziert, denn der objektive Geist einer Kultur ist ein existentieller Dämpfer, der den schöpferischen Willen vor dem direkten (natürlichen) Kontakt mit der Wirklichkeit bewahrt."3

Diese Schutzfunktion kann der objektive Geist aber nur solange erfüllen, wie die Entäußerung noch im Prozeß befindlich ist. Am Ende dieses Prozesses, also im Stadium der Zivilisation, setzt die bereits oben angeführte Entfremdung des Ichs mit den von ihm generierten Institutionen ein, da ihm die nur im Entscheidungsvollzug selbst gegebene Möglichkeit echter Identifikation genommen ist. Mit dem Eintritt in die Zivilisation wird das inhaltlich nun völlig entleerte Subjekt aber wieder auf sich selbst verworfen und fühlt, daß ihm seine Schöpfungen keine Zukunft sichern, weil es den Kontakt mit ihnen verloren hat und hinter diesem Verlust die Fratze des Todes lauert, der in jeder Hochkultur bis in das Reich des primordialen natürlichen Daseins zurückgedrängt worden ist."4

In allen Zivilisationen setzt an dieser Stelle nun die Flucht in die zweite Religiosität ein, die ihr Attribut zurecht mit sich führt, da das Absolute, an das man sich wendet, jetzt einem verwandelten Subjekt, oder besser, überhaupt zum ersten mal einem Subjekt die rettende Einheit verheißt. Anders hingegen in der faustischen Kultur. Hier, wo der fragile Restbestand des Selbstes selbst als Kraft reflektiert wird, nimmt man dieses formale Substrat der Subjektivität auf und projiziert es in die Maschine. Damit aber wird es überflüssig, diesen letzten Rest des Subjekts, dem nichts weiter für sich selbst bleibt als die leere Tätigkeit, als das Wollen, das kein Ziel mehr hat"5, als das im Angesicht des Absoluten eigentlich Unwahre zu verleugnen. Anders ausgedrückt liegt in der positiven Aufnahme der formalen Struktur des Subjekts und ihrer Einbildung in die historische Realität des Mechanismus' der Schlüssel, sowohl die zweite Religiosität", als auch die Totenstarre der Zivilisation"6 zu überwinden. Denn wird die Subjektivität nicht in ihrer Materialität, wie dies in allen übrigen Kulturen der Fall war, sondern auch in ihrer reinen Form in die Empirie transponiert, ist die bisher bestehende Instabilität, an der die übrigen Kulturen verzweifelten, von einer neuen Stabilität abgelöst. Diese neue Sicherheit speist sich aus der Unberührtheit, mit der die Maschine dem Tod gegenübersteht. Hat der Mensch nun auch den bislang unberührten Reflexionsrest seiner formalen Subjektivität der Maschine überantwortet, so tritt der maschinelle Körper, der dem Tode nicht mehr unterworfen ist [...] anstelle des organischen Leibes, mit dem der Mensch sich bisher identifiziert hat"7.

Dieser Wandel der Identifikationsobjekte führt darüberhinaus eine Ablösung in der Struktur des intersubjektiven Miteinanders mit sich. War das gesellschaftliche Leben bislang durch die historischen Manifestationen der materialen Subjektivität, also vom objektiven Geist geprägt, so übernehmen nun, nachdem das Individuum zu diesem ohnehin schon den Kontakt verloren hat, dessen Rolle die unveränderlichen Gesetze der Maschinenarbeit, mit denen die willensmäßige Identifikation jederzeit möglich ist."8

Was hiermit gemeint ist wird deutlich, wenn man betrachtet, was strukturell mit der Implementierung der formalen Komponenten des menschlichen Willens in die Maschine geleistet ist. Was sich hier vollzieht ist nichts anderes als die totale Austreibung der Subjektivität als privater Willkür"9 aus dem neuen, Sicherheit verheißenden Identifikationsparadigma der Maschine. Ist die Maschine etabliert als die Projektion der leeren, reinen Form der Subjektivität, so löst sie die thematisch beladenen Projektionen, also die historischen Institutionen ab. Diese aber konstituieren sich, obwohl sie in der Geschichte als objektiver Geist erscheinen, zwangsläufig immer als Summe individueller subjektiver Anschauungen, womit im objektiven Geist nichts anderes Gestalt annimmt als der private Wille der vielen historischen Subjekte. In der Projektion der schöpferischen Kraft des Selbsts in die Maschine jedoch findet allein eine allgemeingültige Gesetzmäßigkeit Eingang in die empirische Realität. Das Ich, das sich in der Maschine reflektiert, ist streng allgemein. Es ist das kantische Bewußtsein überhaupt, das in allen lebenden Seelen das gleiche ist und das die intersubjektive Verbindlichkeit alles thematischen Erlebens sichert."10

Der Prozeß, den die abendländische Kultur bis zu diesem Stadium durchläuft, findet sich bei Günther in einem komprimierten Abriß dargestellt, der seiner Eindringlichkeit wegen an dieser Stelle nicht vorenthalten werden soll. Sobald eine Hochkultur in das ihr folgende Zivilisationsstadium übergeht, beginnt das Bewußtsein den existentiellen Kontakt mit den von ihm selbst geschaffenen Formen des objektiven Geistes zu verlieren, weil ihm die innere Affinität zu diesen historischen Gestalten mehr und mehr verloren geht. Der Grund dafür ist evident. Der objektive Geist ist eine materiale, inhaltliche Bestimmung, die das Bewußtsein sich selbst gegeben und die es in die physische Realität projiziert hat. Je mehr nun der geschichtliche Prozeß fortschreitet und je intensiver das historische Ich seine inneren Bestimmungen aus sich entläßt und als objektiven Geist in Form von Sprachen, Religionen, Sitten und Willensentscheidungen in die Welt einbildet, desto mehr entleert es sich selbst. Je bestimmter und historisch konkreter seine Umwelt wird, desto menschlich unbestimmter und formaler wird es selbst. Damit aber weitet sich der Abstand zwischen ihm selbst und der von ihm geschaffenen geschichtlichen Tradition. Schließlich ist die Tradition inhaltlich erfüllt und eindeutig bestimmt, das ihr gegenüberstehende Ich aber leer, unbestimmt und anarchisch frei. Es entdeckt, daß es diese letzte Freiheit, die ihm geblieben ist, nicht mehr in jener Tradition realisieren kann, die seiner formalen Freiheit ihre konkrete Bestimmtheit entgegensetzt. Die Subjektivität erlebt sich am Ende des geschichtlichen Prozesses als reine bewegliche Form und erfährt zugleich ihr reflexives Abbild in der Welt des objektiven Geistes als die unbewegliche Bestimmtheit des Materialen Inhalts gewesener Freiheit.11

Das bedeutet aber, daß sich das Ich in seinen Schöpfungen nicht mehr wiedererkennt. Die konservative Dauer dieser seiner Selbstprojektionen, denen es nun endgültig entfremdet ist, gibt ihm keine Garantie der permanenten Existenz seiner Subjektivität, die, seit sie alle Inhalte an die Welt aufgegeben hat, nur noch als leere und unbestimmte Handlungsmöglichkeit erscheint. Da es sich als reine Form und unbestimmte Möglichkeit der Handlung nicht mehr mit der Tradition des objektiven Geistes identifizieren kann, weil jene Tradition das genaue Gegenteil dessen ist, was das Ich selbst in seiner Geschichte geworden ist, geht es nun daran, sich als reine Tätigkeit und innere Bestimmungslosigkeit in die Welt zu projizieren. Das Resultat dieser Projektion ist die Maschine. In ihr ist die Anarchie und bestimmungslose Tätigkeit der entleerten Subjektivität ins Objektive geworfen und dort impersonal allgemeingültig verankert. Der Arbeitsrythmus der Maschine ist das physische äquivalent einer Subjektivität, die tätig ist ohne inhaltliche Bestimmungen und Ziele ihrer Tätigkeit zu besitzen. Damit aber ist eine historische Situation geschaffen, die zwar von höchster seelischer Armut ist, zugleich aber eine solche menschliche Allgemeingültigkeit produziert, wie sie keine der vorangehenden Hochkulturen je hervorzubringen fähig war."12

Auf diese Allgemeinheit war das oben zitierte Diktum Günthers gerichtet, wonach das Ich seine Anonymität erst verliert, wenn es seine bloße Möglichkeit in die objektive Wirklichkeit einbildet und die letztere nach eigenem Bilde formt", erst jetzt erschließt sich die ganze Tiefe dieser Sequenz, wenn es dort heißt, daß das Ich positive Gestalt, Existenz und Freiheit" gewinnt.13 Denn allein die Projektion der formalen Potentialität in die Maschine überwindet die private Anonymität, welche unauflösbar mit der inhaltlichen Substantialität verbunden ist, und führt die leere Subjektivität hinaus in den interindividuellen Raum der Allgemeinheit.

Aber nicht nur auf dieser zwar interindividuellen, aber immer noch intrakulturellen Ebene, denn das bisher Dargestellte vollzieht sich ja allein im Rahmen der faustischen Kultur, sondern auch auf interkultureller Stufe zieht die formale Allgemeinheit des in die Maschine projizierten Menschentums überaus fruchtbare Konsequenzen nach sich. Die bislang vorfindbaren regionalen Hochkulturen waren an diese Regionalität gerade deswegen gebunden, weil sich in ihnen allein die inhaltliche Bestimmung des Subjekts historisch manifestiert fand. Der objektive Geist ist aber immer bloß die Summe subjektiver Anschauungen, oder anders, ein inhaltlich gebundenes und subjektiv eindeutig bestimmtes Seelentum."14

Damit aber war die spezifische Ausformung des jeweiligen historischen Ablaufs innerhalb einer regionalen Hochkultur immer bestimmt von ihrem eigenen materialen Apriori, d.h. keine dieser Hochkulturen repräsentiert menschliche zweiwertige Subjektivität überhaupt und schlechthin, sondern stets nur eine individuell bestimmte und exclusive Variante dieses nicht-primitiven Bewußtseins."15 Was sich also in den regionalen Hochkulturen realisiert findet, ist je nur ihr eigenes, spezifisches und nicht übertragbares inhaltliches Apriori.

Diese lokale Begrenzung der Subjektivität, sowohl in Bezug auf ihre Realisation wie auf ihr Verständnis, wird in dem Moment aber aufgebrochen, in dem die historische Manifestation sich nicht mehr auf das je unterschiedliche materiale Apriori erstreckt, sondern die allgemeine formale Struktur der unbestimmten zweiwertigen Subjektivität überhaupt"16 zum Gegenstand empirisch-historischer Objektivation wird. Geht es darum, das rein formale, allgemeingültige Substrat des leeren Seelenfragments mittels der Maschine in die Geschichte zu projizieren, so ist dieser Projektionsschritt in der Tat von jeglichem Lokalkolorit gereinigt, und folgerichtig ergibt sich aus dem Charakter dieser letzten Introjektion in die Maschine [...], daß dieses `technische' Abbildungsverhältnis der Subjektivität in die Maschine bedingungslos von einer Hochkultur in die andere transferierbar ist, sobald beide Partner das Stadium der Zivilisation erreicht haben."17 Diesen Transfer, der zwar auf dem Boden der faustischen Kultur erwachsenen, seiner Struktur nach aber selber nicht mehr spezifisch faustischen Introjektion in den Mechanismus, erkennt Günther als das Substitut, das in der abendländischen Kultur die Rolle der sonst vorzufindenden, geschichtstötenden zweiten Religiosität" übernimmt. Obwohl ein genetischer Blick es nahelegt, diese Phase des Transfers als letzte Stufe der faustischen Epoche anzusehen, zieht Günther es vor, dieselbe von der abendländischen Kultur zu trennen, und sie vielmehr als generelle Intergrationsperiode"18 einzuordnen. Dies in der Hauptsache aus zwei Gründen.

Zum einen stellt die Maschine das Symbol dar, in dem das generelle zweiwertige Bewußtsein, das ja sämtlichen Kulturformen zugrunde liegt, ohne Ansehen jeglicher regionaler und bisher trennend wirkender materialer Distinktion seinen konkreten empirisch-objektiven Ausdruck findet. D.h. das basale Muster ist nicht das faustische Apriori, sondern ein interkulturelles Schema, weshalb das abendländische Individuum in diesem Prozeß nicht als das alleinige Handlungssubjekt auftritt. Zum anderen und eng damit verbunden besteht gerade für den faustischen Menschen in diesem Prozeß des Transfers die Gefahr, aufgrund der ihm aufgegebenen abendländischen metaphysischen Erblast", die interkulturelle Allgemeinheit der strukturellen Subjektprojektion hinter seinem eigenen historischen Apriori nicht mehr wahrzunehmen. Aus diesem Grund findet sich das Postulat: Der Apostel der abendländischen Technik muß deshalb ein Menschentyp sein, der die spezifischen inhaltlichen Bestimmungen des faustischen Seelentums in sich überwunden hat, resp. sie nicht mehr anerkennt, der aber andererseits den technischen Lebensstil und die Maschine als Symbol des gegenwärtigen historischen Prozesses empfindet."19

Diesen Menschentyp sieht Günther nicht auf dem Boden der kontinental-abendländischen Tradition heranwachsen, weil er in ihm den Typus erkennt, der innerlich noch ganz von einer Hochkultur geformt ist und unter ihrem Einfluß die Entwicklung der Technik, [...] mit einer Furcht betrachtet, die aus einer nicht unberechtigten Ahnung stammt, daß ihr eigenster spiritueller Besitz bedroht ist."20 Die eingeforderte Emanzipation vom historischen Apriori abendländischer Metaphysik findet sich in der neu heranwachsenden Generation des faustischen Menschen, nun allerdings des amerikanischen Typs."21

Grundlegend ist es also für die generelle Integrationsperiode", beide an diesem Prozeß des Transfers beteiligten Partner als gleichrangige Subjekte anzuerkennen, da keiner von beiden, auch nicht der faustische Mensch, ein wie auch immer geartetes Vorrecht auf das dem Subjekt strukturell schlechthin zugrundeliegende Introjektionsschema anmelden kann. Die Allgemeinheit, die auf diese Weise generiert wird, ist also eine doppelte. Zum einen läßt sie sich auf der Ebene der verschiedenen Kulturen bzw. der für sie empfänglichen Zivilisationen als eine inter- oder transkulturelle Allgemeinheit erkennen. Zum anderen, im Rahmen einer Zivilisation betrachtet, ist die zuvor private Spiritualität zum ersten Mal objektiv und interindividuell ablesbar geworden [...] Die in der Maschine realisierten Prinzipien seiner Rationalität müssen jetzt von Jedermann anerkannt werden"22 Dies ist der eigentliche Sinn des oben angeführten Zitats23, wonach die Identifikation des Einzelwillens mit dem allgemeingültigen Gesetz des Mechanischen jederzeit möglich ist. Das Gesetz der Maschine ist der Anarchie der bloßen Subjektivität enthoben, insofern es die reine Form des schöpferischen Willens repräsentiert, nicht aber die individuell verschiedenen Inhaltsdimensionen des Subjekts berücksichtigt. Damit ist auch das Gewissen als individuelle handlungsleitende Instanz gänzlich obsolet, da das Gewissen als private und subjektive Reflexion innerhalb der Prinzipien des Mechanismus' keinerlei Reservation und Angriffsmöglichkeit mehr findet. Man mag es paradox empfinden, aber es läßt sich nicht leugnen, die Anweisung: Rechts fahren! bindet das Gewissen stärker als das Gebot: Du sollst nicht töten. Wer dem sechsten Gebot zuwiderhandelt, mag sich auf ein höheres Recht berufen, bei Verletzungen der Verkehrsordnung ist eine solche Berufung absurd."24

Auf diese Weise ist also dem objektiven Geist, der bisher in den regionalen Hochkulturen in der je spezifischen Ausformung seines historischen Aprioris den essentiellen Gehalt der in der Gesellschaft wirkenden Gesetzlichkeit darstellte, die Daseinsberechtigung als wesentliches Emanationsprojekt entzogen. Gleichzeitig ist damit aber auch die Gefahr gebannt, daß das leere Subjektfragment, welches sich vollständig an die Institutionen von Sprache, Kunst, Wissenschaft etc. entäußert hat in der zwangsläufig sich daran anschließenden Entfremdung von diesen Institutionen dem Terror des Todes und der distanzlosen Drohung des Endes widerstandslos anheim fällt".25 In der Instituierung des Gesetzes des Mechanismus anstelle des objektiven Geistes wird somit das letzte metaphysische Motiv für diese Ich-Introjektion des Menschen in die Maschine"26 deutlich: In der Maschinentechnik soll der Tod überwunden werden."27

Im Falle der Seele, der Subjektivität, war es möglich, ihr ein eigenes, privates und vom Ding unterschiedenes Sein zu attestieren. Diese Trennung aber, d.h. der seit Descartes schließlich explizit formulierte Dualismus von res extensa und res cogitans, ist für die Maschine aufgehoben, denn der konstruktiven Idee"28 des Mechanismus kommt ein Sein einzig im Objekt selbst zu. Die Idee" der Maschine, also die formale, entleerte Subjektivität, gelangt allein in der empirischen Realität des Mechanismus zu ihrem Sein, nur hier ist sie mit sich selbst identisch. Ist der Mensch dem Tode überantwortet, weil er sich weigert, sich mit seinem Leib zu identifizieren"29, so hat die Maschine den Tod überwunden, insofern die Konstruktionsidee [...] sich notwendig mit der durchgeführten Konstruktion [identifiziert], weil ihr eine unabhängige Existenz nicht einmal `im Begriff' zukommt."30 Ich-Introjektion in die Maschine entbindet also die Subjektivität als Konstruktionsidee von einer Reservation eigenständiger, der Welt entgegengesetzter Materialität, und bindet sie in dieser Form der Objektivierung vollständig an die Existenz der Maschine. Subjektivität als eidos des Mechanismus gelangt nun nicht mehr zu einem als eigenständig zu betrachtenden Sein, allein als die vollzogene Projektion in die Maschine kommt ihr Existenz zu. Sie ist nur insofern sie Maschine ist. Die Maschine aber kennt den Tod nicht, weil in ihr die Idee sich mit ihrer materiellen Existenz identifiziert."31

1a.a.O., S.21
2a.a.O., S.24
3a.a.O., S.26
4ebd.
5a.a.O., S.25
6a.a.O., S.14
7a.a.O., S.28
8ebd.
9ebd.
10a.a.O., S.28f
11Gewesene Freiheit verwendet Günther in Anlehnung an Schelling: Gewesene Freiheit aber ist, wie wir nun mit Schelling wiederholen können, Sein - also Objektivität, die jedoch diesmal nicht factum brutum ist, sondern entäußerte Subjektivität." G. Günther: Beiträge III, S.296
12G. Günther: SdM, S.29f
13vgl. Anm.25. Darüberhinaus wird an dieser Stelle deutlich, daß das Einbilden der Subjektivität, welches Existenz und Freiheit generiert, nicht im Sinne eines Sartreschen Entwerfen oder der Entschlossenheit Heideggers als eine existentielle Modifikation des Man" (M. Heidegger: Sein und Zeit. S.267) verstanden werden darf. Dies deshalb nicht, da, obwohl Entäußerung zwar rekursiv Existenzerhellung bedeutet, diese aber gerade nur qua Vermittlung durch die Maschine statthat. Und Anonymitätsverlust nicht als Heraustreten aus dem Man, als Sichentscheiden für ein Seinkönnen aus dem eigenen Selbst"(a.a.O., S.268), sondern gerade umgekehrt als Auf- bzw. Abgeben der materialen Selbstheit, mittels derer die private Abgeschiedenheit in den strukturellen Gleichklang des Mechanismus aufgehoben wird.
14G. Günther: SdM, S.30
15ebd.f
16a.a.O., S.32
17a.a.O., S.33
18a.a.O., S.34
19a.a.O., S.37. Damit ist dann aber auch deutlich, daß Günther weder einem Eurozentrismus noch einem wie auch immer gearteten okzidentalen Kultur-Chauvinismus huldigt, insofern die von ihm eingeforderte Geisteshaltung sich gerade nicht als Extrapoloation abendländischer Tradition verstehen läßt, sondern in einem grundsätzlichen Überstieg über jegliches, und somit auch okzidentales Kultur-Apriorie zu finden ist.
20G. Günther: Beiträge III, S.226. Als Prototyp dieses ganz aus den Ursprüngen des Abendlandes denkenden und in eben dem von Günther skizzierten Sinn vor der Technik warnenden Menschen, läßt sich unschwer Heidegger identifizieren.
21a.a.O.,227. Der Stellenwert, den Günther dieser neuen Grundeinstellung des Denkens einräumt, läßt sich ermessen, wenn man darauf sieht, daß er, der sich 1948 in den USA naturalisieren ließ*, in der Selbstdarstellung seiner Genese und seines Werkes diesem neuen Typus, dessen letzte geistige Tiefen [...] in der Einstimmigkeit ihrer Ablehnung der Tradition Europas" liegen, die einem besonderen [...] antimetaphysischen Geschmack entspricht"**, beinahe ein Viertel des Textes zur eingehenden Würdigung zukommen läßt. Vgl. L.J. Pongratz (Hg): Philosophie in Selbstdarstellungen. *S.16f; **hier S.30
22G. Günther: SdM, S.86
23vgl. Anm.77
24G. Günther: SdM, S.86
25a.a.O., S.25
26a.a.O., S.24
27a.a.O., S.28
28a.a.O., S.85
29ebd.
30ebd.
31ebd.


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