TOC PREV NEXT INDEX


4.3 Die différance als Metapher der Prozessualität der Semiosis


Was bis hierhin erreicht wurde, läßt sich als eine Eingrenzung dessen verstehen, was den Prozeß der Sinngebung als Ganzen (Kristeva) ermöglicht, es ist bis hierhin der Raum abgesteckt und als solcher allererst erkannt, der die Semiosis in ihrer Prozessualität gewährleistet. Dabei jedoch zeigt sich, daß das Sprechen, das sich anschickt, den umgrenzten Raum mit Konkretion zu füllen, seinen Gegenstand stets verliert. Da das gesuchte Wie" des Sprechens sich bislang immer auf die Sprache als Positivsprache erstreckt, sei noch einmal an deren grundsätzliche, d.h. identitätstheoretische Problematik erinnert.

Das Problem, in dem sich die dem Dogma der Identität verpflichtete und den Zwängen der Präsenz verfangene Positivsprache bewegt, läßt sich hinsichtlich ihrer Repräsentation durch das phonetische und graphematische Zeichen etwa so umschreiben: In dem der phonetischen Schrift zugeordneten Spachsystem ist die logozentristische Metaphysik entstanden, die den Sinn des Seins als Präsenz bestimmt."1

Sinn des Seins als Präsenz bestimmen, heißt aber nichts anderes, als daß das Denken sich einem Dogma unterwirft, das Sinn und Wahrheit der Schrift allein im Erfassen der atomistisch begriffenen, positiven Elemente der Sprache gewährleistet sieht. Ein solches Identitätsdenken stößt aber in zweifacher Weise an seine ersten Grenzen. Zum einen setzt der Gebrauch der Wörter in Rede und Kommunikation ein Wiedererkennen und Identifizieren voraus, d.h. ihre potentiell unbegrenzte Wiederholbarkeit. Es ist also eine Identität des Signifikanten gefordert, die sich trotz aller empirischer Modifikation als Konstante feststellen lassen muß, denn ein nur `einmal' vorkommendes Zeichen wäre keins."2 Damit gestaltet sich der Zeichenbegriff aber paradoxal, insofern die Wiederholungsstruktur notwendig die von ihr selbst geforderte Identität in Frage stellt, d.h. diese Identität aber ist notwendig eine ideale."3

Der andere Weg, auf dem das Identitätsdenken sich selbst unterminiert, verläuft in der oben skizzierten Bahn, die ihren Ausgang von der Arbitrarität des Zeichnens nimmt. Arbitrarität als kontingent Verbindung zweier noch substantiell verstandener Komponenten, sprengt ihren eigenen Einbindungsgrund, insofern sie auf die destruierende Einsicht zusteuert, nach der es gerade keine Verbindung präexistenter Glieder gibt, sondern das nun völlig anders zu verstehende Zeichen sich in einer je aktual ereignenden Synthese generiert. Diese aber läßt sich nur sinnvoll unter dem Kunstwort der différance denken, da das Zeichen seinen positiven" Gehalt nun nicht mehr aus der Präexistenz von Signifikat/Signifikant, sondern allein aus der Entgegensetzung, Unter-scheidung gegen anderes beziehen kann. Anders: Die Idee der Vereinbarung selbst, also der Arbitrarität des Zeichens, kann vor der Möglichkeit der Schrift und außerhalb ihres Horizontes nicht gedacht werden."4 D.h. nicht die Identität des atomistischen Zeichens verspricht, den Sinn zu generieren, sondern die Differenz. Vollzieht sich der Akt der