FRAGEN ZUR KUNSTPRÄSENTATION

(Erstellt für Studierende der Sädelschule, Rudolf Kaehr, Juni 99, Glasgow)



Es handelt sich hierbei um einen ersten Entwurf eines Katalogs von Fragen an StudentInnen, zur Klärung ihrer Positionen bei der Präsentation von Arbeiten im Kontext der Schule.

Ziel ist es, eine möglichst hohe Transparenz der eigenen Arbeit gegenüber zu erhalten, unnötige Identifikationen aufzulösen und den eigenen "blinden Fleck" zu ent-decken.


Im Hintergrund steht eine Lektion über die Philosophie, Linguistik, Logik und Psychologie des Fragens und der Fragetechniken. In-fragestellung von Er-fragen und Be-fragen. Fragen zwischen Interview, Elizitieren und Evozieren. Einbeziehung des Fragenden in die Befragung; dialogische, polylogische, reflexive Frageformen.


Die Studenten erhalten diesen Fragekatalog zur Orientierung für ihre Präsentation. Während der Präsentation können, je nach Situation, die entsprechenden Fragen gestellt werden und neue Fragen gefunden werden.


Die Übung ist ein Teil der Ausbildung in Philosophie, ein Beispiel praktischer Philosophie und auch philosophischer Praxis.


Diese Fragen beziehen sich nicht auf die ästhetische Qualität der Arbeiten und stehen damit in keiner Konkurrenz zur Beratung der Studenten durch ihre jeweiligen Professoren.


A. Fragen direkt zur Arbeit


1. Wie genau habt ihr Euer "Objekt" produziert, mit welchen Mitteln, Techniken, Strategien? Welche Erfahrungen habt Ihr dabei gemacht. Etwa bei der Beschaffung der

Materialien, der Finanzen, der Anerkennung.


(Natürlich braucht Ihr keine "Betriebsgeheimnisse zu verraten. Ziel ist:möglichst hohe Transparenz für Euch selbst.)


2. Was genau habt Ihr unternehmen müßen, um die Arbeit zu realisieren. Wie weit ist die Arbeit jetzt schon realisiert und was fehlt noch?


3. Wie würdet Ihr heute, jetzt nachdem die Arbeit mehr oder weniger abgeschloßen ist, vorgehen, um die Arbeit zu realisieren.


4. Wie würdet Ihr Eure Arbeit als Produkt klassifizieren? Welche Art, Gattung, gar Richtung soll es sein?


5. Wo habt Ihr Eure Arbeit realisiert. Dort wo Ihr wolltet oder woanders?


B. Fragen zum Kontext, Richtungen, Geschichte der Arbeit

1. Wie ordnet Ihr Eure Arbeit im historischen Kontext ein?


2. Welche theoretischen Richtungen (Konstruktivismus, usw) sind dazu passend?


3. Wovon distanziert Ihr Euch mit Eurer Arbeit, was soll es auf keinen Fall sein?


4. Welches sind Beispiele für ähnliche Arbeiten? Wie unterscheidet Ihr Euch davon, was sind die Gemeinsamkeiten?


5. Von welchen bestehenden Arbeiten, Richtungen usw. habt Ihr Euch am stärksten beeindrucken lassen ?


6. Wie steht die Arbeit im Kontext Eurer eigenen Geschichte. Was ist das Gemeinsame, was ist die Differenz zu früheren Arbeiten?


C. Fragen zur Relevanz der Arbeit


1. Welche Relevanz hat Eure Arbeit für Euch selbst, bezogen auf vergangene Arbeiten, bezogen auch auch zukünftige Arbeiten.


2. Welche Barrieren, Hindernisse, Grenzen künstlerischer Art habt Ihr dabei überschritten?


3. Was habt Ihr Euch dabei ermöglicht? Was habt Ihr Euch dabei verschlossen?

Welche neuen Wege haben sich eröffnet, welche haben sich verschloßen?


4. Was würde passieren, wenn Ihr entdecken würdet, daß jemand anderes alles schon realisiert hat?


5. Wie würdet Ihr Eure Arbeit vor Angriffen einer negativen Kritik verteidigen?


6. Was denkt Ihr, hat Eure Arbeit für eine künstlerische und gesellschaftliche Relevanz?


D. Existentielle Fragen im Kontext der Arbeit und des Arbeitsprozesses


1. Was sind die persönlichen Motive, Erfahrungen, Entscheidungen, die zur

Entscheidung für Eure Arbeit geführt haben? Welches waren die härtesten

Herausforderungen? Was hat am meisten Spaß gemacht? Wie hat sich Euer Verhältnis zur Arbeit während des Arbeitsprozesses veränder?


2. Was würde sich Euch eröffnen, wenn Euch Eure Arbeit voll und ganz gelungen wäre?


3. Was würde sich Euch verschließen, wenn Euch Eure Arbeit voll und ganz gelungen wäre?


4. Was würde sich Euch eröffnen, wenn Euch Eure Arbeit voll und ganz mißlungen wäre?


5. Was würde sich Euch verschließen, wenn Euch Eure Arbeit voll und ganz mißlungen wäre?


6. Was genau braucht Ihr, damit Ihr Eure Arbeiten voll realisieren könntet?


7. Wie fühlt Ihr Euch und was denkt Ihr dabei, wenn Euch jemand fragt "Warum machst Du diese Arbeit"?


E. Offene Fragen und Fragen an den Fragenden


1. Welche Fragen, die Euch jetzt bewegen und/oder bewußt geworden sind, haben wir noch nicht angesprochen?


2. Welche Fragen sind durch diesen Frageprozeß entstanden, die Ihr an den Fragenden richten möchtet? Ist Fragen, Be-Fragen und In-Fragestellen überhaupt eine adäquate Zugangsweise?