1 Cybernetic Ontology: Hierarchie und Heterarchie komplexer Systeme
1.1 Zur Architektur heterarchischer Systeme
1.2 Zur Organisation komplexer Systeme
1.3 Zur Prozessualität komplexer Systeme
1.4 Zur Objektionalität komplexer Systeme
Zur Problematik der Heterarchie verteilter Systeme im Kontext der New `secondorder' Cybernetics
In den 70er Jahren ist offensichtlich die strenge Hierarchisierung und Optimierung kybernetischer Prozesse in Wirtschaft und Wissenschaften als Paradigma der 60er Jahre zu einem gewissen Abschluß gekommen und durch eine gegenläufige Tendenz der Fuzzifikation (Parametrisierung, Modalisierung, Intensionalisierung usw.) aller basalen Kategorien ersetzt worden. Diese Auflösung der Kategorien der allgemeinen Systemtheorie und Kybernetik hat rückwirkend zu einer Revision und Tieferlegung der entsprechenden Kategorien und Begriffsbildung durch die Second Order Cybernetics bzw. die New Cybernetics der 80er Jahre geführt.
Die FuzzyStrategien sollten das alte Konzept der Stabilität und des Wachstums an die neuen Bedingungen einer durch Diskontinuitäten, Instabilität, Undurchschaubarkeit und Wachstumskrisen gekennzeichneten Realität anpassen.
Die New Cybernetics versucht direkt die Ansprüche der alten allgemeinen Systemtheorie mit den neuen Bedingungen der Diskontinuität und Inkompatibilität durch sukzessive Transformation der basalen Begrifflichkeit in Einklang zu bringen. War die alte Kybernetik mit der Regelung (Optimierung usw.) von Systemen beschäftigt, so ist die Thematik der New Cybernetics die Regelung der Regler der Systeme in turbulenten Umgebungen. Die New Cybernetics ist also eine Kybernetik der Kybernetik und daher von second order. Wie beim Denken des Denkens handelt es sich hier nicht um eine Iteration, die beliebig zu vollziehen wäre, denn die SecondOrder Cybernetics entwickelt Gesetzlichkeiten, die umfassender sind als die ihrer Thematik, und die gewisse Abschlußeigenschaften besitzen.
Es ist anzunehmen, daß die Transformation der systemtheoretischen und kybernetischen Begrifflichkeiten nicht im luftleeren Raum aus rein innertheoretischen Gründen erfolgt ist, sondern als Reaktion auf verschiedene reale Erfahrungen, die teils aus den empirischen Wissenschaften (so etwa der Gehirnphysiologie), teils aus gesellschaftlichen, wirtschaftlichen u.a. Zusammenhängen stammen.
Es muß also angenommen werden, daß die Produktivkräfte eine Komplexität angenommen haben, die es nicht mehr erlaubt, sie mit den Mitteln der alten Systems Research zu erfassen und zu steuern.
Eine Managementtheorie, die weiterhin sich von den Konzepten des alten Paradigmas leiten läßt, ist wohl weitgehend dem Mißerfolg ausgeliefert und kann sich nur auf adhocMethoden und zufällige Erfolge, deren Zustandekommen nicht mehr verstanden werden, verlassen.
Andererseits ist es nun gewiß nicht so, daß ein disponibles SecondOrderCyberneticsInstrumentarium schon zur Verfügung stände und es nur darum ginge, es aufzunehmen und zu applizieren. Dies wird leicht von verschiedener Seite suggeriert. Eine solche Haltung wird unweigerlich zum Mißerfolg führen, da die neuen Instrumente weit weniger ausformuliert und operativ zugänglich gemacht sind.
Die Arbeit, die zu leisten ist, läßt sich wie folgt charakterisieren:
1. Die Gründe für das Versagen der klassischen Methoden müssen aufgedeckt werden, d.h. die klassischen Methoden müssen bezüglich ihrer Effektivität klarer ab und eingegrenzt werden,
2. müssen die neuen Tendenzen gesammelt, versammelt, aufgenommen und reflektiert, auf ihre Brauchbarkeit hin analysiert werden,
3. müssen die Konsequenzen aus den neuen Konzepten für die operativen Methoden und Instrumentarien gezogen werden.
Es besteht die Gefahr, daß die New Cybernetics sich der klassischen Kybernetik gegenüber als bloße Kritik, als Kritizismus erweist, der in den harten Methodologien alles von der kritisierten positivistischen usw. Kybernetik bezieht und selber im begriffsdialektischen Jargon der Selbstbezüglichkeit verharrt. Der Circulus Creativus regelt keinen einzigen realen Prozeß, außer den der phonetischen Zirkulation, und diese ist bekanntlich seit längerem inflationär.
Es sollen daher hier einige Konsequenzen für die Begriffsbildung und die formalen Methoden aus der Tendenz der New Cybernetics gezogen und semiformal expliziert werden. Die klassische Kybernetik läßt sich eingrenzen etwa durch die Bestimmung, daß sie sich mit der Regelung von System unter den Aspekten der Stabilität, des Wachstums, der Selbstorganisation (Selbstkorrektur usw.), der Adaption, des Lernens usw. unter den Bedingungen der H i e r a r c h i e beschäftigt, während die New Cybernetics sich den Bedingungen der H e t er a r c h i e, der Diskontexturalität komplexer Systeme bzw. Systemganzheiten öffnet, ohne dabei jedoch die erreichte Konzeptualisierung der hierarchischen Systemtheorie zu verdrängen. Vielmehr wird sich zeigen, daß zwischen Hierarchie und Heterarchie selbst ein komplexes Wechselspiel besteht, das durch die Proemialrelation geregelt wird.
Die Auswirkungen der Heterarchie sollen untersucht werden in Bezug auf:
1. Die Architektur komplexer Systeme
2. Die Organisation komplexer Systeme
3. Die Prozessualität komplexer Systeme
4. Die Objektionalität komplexer Systeme
Eine hierarchische Architektur der Systeme bestimmt die Grundkonzeption, die Begrifflichkeit der Systemtheorie, d.h. Systeme sind im Rahmen der allgemeinen Systemtheorie letzten Endes immer hierarchisch strukturiert oder lassen sich hierarchisieren.
Heterarchie bestimmt die Beziehung zwischen (hierarchischen) Systemen unter der Maßgabe, daß diese sich nicht hierarchisieren lassen. Heterarchie ist also negativ bestimmt als eine Architektur komplexer Systeme, die sich nicht hierarchisieren läßt. Ein heterarchisches System läßt sich nicht ohne Verlust wesentlicher Bestimmungen auf ein hierarchisches System abbilden.
Positiv bedeutet Heterarchie, daß verschiedene zueinander disjunkte hierarchische Systeme miteinander verkoppelt werden können und so zu kooperativer Einheit gelangen, ohne die Autonomie der Teile einem übergeordneten MetaSystem abgeben zu müssen. Zwischen den Konstrukten Hierarchie und Heterarchie herrscht jedoch nicht wieder eine Hierarchie, so daß etwa die Heterarchie die Hierarchie umfaßt. Vielmehr besteht zwischen beiden ein komplexes Wechselspiel, dessen Regeln selbst nicht wieder hierarchisch oder heterarchisch strukturiert sind, sondern die Bedingungen der Möglichkeit der beiden Grundbestimmungen aller Systemeüberhaupt angeben, ihnen vorgeordnet sind, sie in ihrer Möglichkeit eröffnen. Die Eröffnung der Systemtheorie, ihr Vorspiel, d.h. ihr Proömion, ist kodifiziert und inskribiert in der proemial relationship, der Proemialrelation.
Wie Teilsysteme zu hierarchischen Systemen verknüpft werden ist bekannt. Es stellt sich die Aufgabe, die Mechanismen der Verknüpfung hierarchischer Systeme zu heterarchischen Systemen anzugeben. Dabei ist es wichtig die richtige systematische Ebene, bzw. den richtigen logischstrukturellen Ort der Thematisierung zu finden.
Einer der relevantesten Gründe, warum hierbei an die Arbeiten des BCL (Biological Computer Laboratory, Urbana, Illinois, USA) angeknüpft wird, liegt darin, daß das BCL in einzigartiger Weise die Verknüpfungsmechanismen von der Ebene der Theorie auf die Ebene der der Theorie zugrunde liegenden LOGIK und SEMIOTIK bzw. Ontologie, und später der der Arithmetik zugrunde liegenden Zahlkonzeption, zurückgeführt hat.
Das BCL ist hervorgetreten durch Arbeiten zu einer Theorie lebender Systeme allgemeinster Art (biologische, soziale, künstliche, usw.). An der Entwicklung dieser Arbeiten waren so nahmhafte Wissenschaftler wie W. S. McCulloch, H. v. Foerster, R. W. Ashby, G. Günther, L. Löfgren, H. Maturana, F. Varela, G. Pask, St. Beer u.a. beteiligt. International bekannt wurden die Kongresse zur Begründung der Theorie selbstorganisierender Systeme Anfang der 60er und die Theorie polykontexturale (Günther) und autopoietischer Systeme (Maturana, Varela) in den 70er Jahren.
Zwei Strategien zur Entwicklung einer allgemeinen Systemtheorie lebender Systeme wurden entwickelt und haben zu den zwei wichtigsten TheorieEntwicklungen geführt:
1) Die Theorie polykontexturaler Systeme von G. Günther
2) Die Theorie autopoietischer Systeme von Maturana und Varela.
Die Theorie polykontexturaler Systeme zeichnet sich durch eine radikale Tieferlegung der Fundamente der wissenschaftlichen Begriffsbildung aus und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur berwindung der Dichotomie von Natur und Geisteswissenschaft bei Aufrechterhaltung der mathematischen Operativität und der hermeneutischen Komplexität.
Die Theorie autopoietischer Systeme ist zwar weniger komplex, hat sich aber durch die Wahl des Calculus for Indication als Logical Framework und der klassischen Rekursionstheorie als Methodologie der Formalisierung einer breiteren ffentlichkeit zugänglich erwiesen.
In der Zwischenzeit ist eine Rückbeziehung auf die erste Strategie der Tieferlegung des Ansatzes zu verzeichnen, etwa in dem Hinweis von Gordon Pask, daß die New Cybernetics ihre philosophischen und logischstrukturellen Fundamente und Direktiven in der Polykontexturalitätstheorie (Cybernetic Ontology) Günthers fände.
Beide Tendenzen, sowohl die Polykontexturalitätstheorie Günthers, als auch der Calculus for SelfReference von Varela, setzen direkt auf der logischen Ebene an und hintergehen damit die ganze Problematik theoretischer wie informationeller Art, die zu komplizierten, den harten Kern der Problematik verdeckenden Theoriebildungen und mathematischen Apparaten führen.
Damit ist schon angedeutet, daß alle Theorien der Vernetzung wie auch alle Applikationen von Theoremen aus den Einzelwissenschaften wie es im Falle der dissipativen Systeme, der Katastrophentheorie, der biologischen Evolutionstheorie usw. geschieht, für eine direkte Analyse der Problematik nicht in Frage kommen. Der Begriff der Heterarchie muß also so fundamental wie möglich angesetzt werden. Da es hier nicht um eine Philosophie heterarchischer Systeme geht, ist eine Lokalisierung der Thematik auf der Ebene von logischen Systemen und ihrer Semiotik bzw. Arithmetik ausreichend und verspricht eine Darstellung, die an ausreichend Bekanntes und Fundamentales anknüpft.
Cybernetic Ontology: Hierarchie und Heterarchie komplexer Systeme
Ein System ist dann hierarchisch, wenn alle seine Teilsysteme auf einen ihnen gemeinsamen Grund, auf ein und nur ein ihnen zugrunde liegendes System zurückgeführt werden können. Ein hierarchisches System hat demnach einen und nur einen Grund (griech. Grund= arche) und dieser ist, da er der einzige ist auch der höchste (= hieros). Ein heterarchisches System verknüpft, vermittelt eine Vielheit von irreduziblen, nicht ineinander zurückführbaren hierarchischen Systemen. Als Ganzes hat es nicht einen Grund, sondern auch einen anderen (griech. anderen= heteros). Prinzipientheoretisch läßt sich somit sagen, ein heterarchisches System hat neben dem höchsten Grund eines Systems andere höchste Gründe. Jeder der Gründe ist der höchste (hieros) und hat nebengeordnet andere höchste Gründe, daher ist jeder hierarchische Grund auch ein NichtGrund, ein abgeleiteter. Der Grund und sein anderer/anderes sind in einem heterarchischen System zu einem komplexen Ganzen verbunden. Jeder Grund ist nun der ORT eines BasisSystems, von dem aus der logischstrukturelle und arithmetischsemiotischalgorithmische Apparat definiert, begründet, fundiert ist, bzw. von wo aus er seinen Ausgangspunkt nimmt. Ein solches BasisSystem ist charakterisiert als KONTEXTUR im Gegensatz zum Begriff des KONTEXTes der in ihm enthalten ist. Eine Vielheit von Kontexturen wird durch den Mechanismus der Proemialrelation zu einer VERBUNDKONTEXTUR bzw. einer Polykontexturalität verbunden.
Damit wird postuliert, daß die Beschreibung eines komplexen Systems (bekanntlich dadurch definiert ist, daß es zu seiner Beschreibung eine Vielzahl von Beschreibungsstandpunkten verlangt) nicht dadurch geleistet wird, daß die eine und einzige LogikArithmetik bzw. Methodik entsprechend dem Grad der Komplexität verschieden oft angewandt wird und so den Komplex durch einen Beschreibungsweg rekonstruiert bzw. modelliert, und als theoretisches Resultat, als Resultat einer Applikation festhält.
Eine solche Applikationsweise übersieht zweierlei: einmal, daß das komplexe System als Ganzes so strukturiert ist, daß seine kooperierenden Teilsysteme qua hierarchische Systeme je zugleich bestehen, daß zwischen ihnen eine nicht reduzierbare Koordination und Kooperation besteht. Die Applikation linearisiert die Komplexität in ein Nacheinander von Systemen. M.a.W., der Komplex wird hierarchisiert, einmal durch die Abfolge der Beschreibungsschritte und 2. durch die metatheoretische Einvernahme durch die Hierarchie von Logik usw. und Applikation der Logik usw.
Andererseits wird stillschweigend vorausgesetzt, daß die Orte, die jedes einzelne Teilsystem einnimmt, mit den anderen kommensurabel sind, daß die Orte untereinander homogen sind, und daß daher einer Applikation der Logik, die selber einen Ort einnimmt, nichts im Weg steht, weil zwischen der Struktur, der Qualität des Ortes der Logik und der Qualität des Ortes der Applikation keine Differenz, kein Hindernis, keine KONTEXTURSCHRANKE liegt. Es wird also die Homogenität der Orte angenommen.
Die POLYKONTEXTURALITÄTSTHEORIE, die eine Theorie heterarchischer Systeme darstellt, geht nun davon aus, daß zur Beschreibung komplexer Systeme nicht nur eine Vielzahl von irreduziblen Standorten eingenommen werden muß, sondern daß jedem Beschreibungsstandpunkt auch ein Ort im Beschriebenen entspricht. Ein heterarchisches System stellt also in sich selbst eine Vielheit dar.
Diese verschiedenen Orte, die als Platzhalter von Logiksystemen fungieren, und damit vorlogischen Gesetzen entsprechen, für die also der Satz der Identität im logischen Sinne nicht gilt, lassen sich dennoch nach Gleichheit und Verschiedenheit unterscheiden. Diese Orte sind als Platzhalter inhaltlich leer, markieren nur den Ort, den ein logischarithmetisches System einnehmen kann. Die Architektur und Grammatik dieser Orte wird von der Kenogrammatik (kenos = leer) erfaßt und geregelt. Heterarchische Systeme sind also verteilte, d.h. distribuierte und in ihrer Distribution kooperativ verknüpfte Systeme, die nicht im Logischen, sondern in der KENOGRAMMATIK als allgemeiner Architektur und Grammatik (genauer: Graphematik) fundiert sind.
Die Idee eines logischen bzw. kenogrammatischen Ortes mag befremden. Bekannt ist jedoch die Konzeption des logischen Ortes einer Aussage in der formalen Logik etwa bei Wittgenstein: 3.4. Der Satz bestimmt einen Ort im logischen Raum.... Die klassische Logik behandelt also logische Orte in einem und nur einem logischen Raum. Die transklassische Logik, die die Logik heterarchischer Systeme darstellt, untersucht die Vielheit der logischen Räume, d.h. die Vielheit der Aussagen eines logischen Systems wird transformiert zur Vielheit der Räume und somit zur Vielheit der Logiken.
Das Gitter oder Netz bzw. Netzwerk der Orte, das die Logiken distribuiert, gehört selbst nicht wieder einer Logik an, d.h. die Bedingungen der Möglichkeit der Distribution von Logiksystemen überhaupt, die Ermöglichung derselben, kann nicht selber eines dieser Logiksysteme sein.
Die Ermöglichung der Distribution und Vermittlung von Systemen leistet die Kenogrammatik. Dies ist eines der wichtigsten Abgrenzungskriterien gegenüber Konzeptionen wie dem Calculus for SelfReference, den Polyautomaten, ZellularAutomaten usw. Diese sind durch eine direkte SelbstRückbezüglichkeit und ohne einen Umweg (über die Kenogrammatik) definiert. Der Circulus Vitiosus der dabei entsteht, wird zwar erkannt, aber überschwenglich zum Circulus Creativus oder Circulus Fructuosus erhoben.
Zur Architektur heterarchischer Systeme
Die Architektur komplexer heterarchischer Systeme wird bestimmt durch die Anzahl der logischen Orte, d.h. durch die Anzahl der Kenogramme und durch die Verhältnisse von Gleichheit und Verschiedenheit der Kenogramme im Kontext ihrer Verknüpfung. Angenommen, es sei ein Komplex von Kenogrammen, gleicher und verschiedener, gegeben, dann sind prinzipiell zwei Operationen möglich:
a) EVOLUTIVE OPERATION: zu dem bestehenden Komplex mit der Komplexionszahl m kann ein Komplex mit der Komplexionszahl m+1 erzeugt werden. Dies kann dadurch geschehen, daß ein Kenogramm des Komplexes wiederholt wird oder daß ein neues nicht in der Komplexion enthaltenes Kenogramm assimiliert, hinzugenommen wird. Außerhalb der Komplexion unterscheiden sich die einzelnen Kenogramme nicht, sie sind für sich genommen Monaden und als solche untereinander isomorph, d.h. kenogrammatisch äquivalent. Die evolutive Operation verändert die Komplexität des Systems, indem sie im Rahmen bestehender Qualitäten neue Beziehungen ermöglicht oder indem sie neue Qualitäten aufnimmt und damit die Qualität der ganzen Komplexion verändert.
b) EMANATIVE OPERATION: unter Konstanthaltung der Komplexionszahl wird eine Ausdifferenzierung zu voller Komplikation oder zu einer Reduktion auf minimale Komplikation vollzogen. Emanative und evolutive Operationen bedingen sich gegenseitig. Ohne eine gewisse emanative Komplikation ist keine evolutive Operation und ohne diese keine emanative möglich. Emanation und Evolution sind Komplementäraspekte der Architektur heterarchischer Systeme. Gemäß der Architektur heterarchischer Systeme transformiert sich das Begriffspaar System/Umgebung entscheidend. In der klassischen Systemtheorie besteht zwischen System und Umgebung eine Dualität, die logisch einem Negativprozess untersteht. Der Negationsoperator erhält hierdurch für die Systemtheorie eine fundamentale Funktion. Heterarchische Systeme sind dem Grad ihrer Komplexität entsprechend nicht bloß mit einem NEGATIONSOPERATOR ausgerüstet, sondern mit mehreren. Daher sind sie multinegationale Systeme, die in der Lage sind, a) eine vielseitige SystemUmgebungsRelationalität zu konstituieren und b) Umgebung nicht nur außerhalb des Systems, sondern auch innerhalb des Systems zu bilden. Das heißt, die Koinzidenz von System/Umgebung und intern/extern gilt für multinegationale Systeme nicht.
Dadurch daß heterarchische Systeme interne Umgebungen operativ konstituieren können, liefern sie die Bedingungen der Möglichkeit, d.h. den logischstrukturellen Spielraum für die Simulation und Modellierung externer Systeme. Heterachische Systeme sind strukturell in der Lage sich ein Bild von sich selbst zu machen.
Ein strukturell ernst genommenes Simulationskonzept verlangt architektonisch wie auch objekttheoretisch eine neue VerOrtung außerhalb der klassischen Dualität von System/Umgebung und ontologisch von Sein/Nichts bzw. Information/Bedeutung.
Die MULTINEGATIONALIT T heterarchischer Systeme ist nicht wie die Negationskonzeption der klassischen Systemtheorie reflexiv, sondern im allgemeinen Sinne zyklisch und generiert eine umfassende Theorie von NEGATIONSZYKLEN und zyklischen Permutographen.
Vom Standpunkt heterarchischer Systeme existiert für die klassische Systemtheorie nicht nur eine Koinzidenz von Affirmation/Negation und intern/extern, sondern auch eine Abbildung der genannten Paare auf den Begriff der AKZEPTION. D.h. daß ein klassisch definiertes System die Dualität von System/Umgebung annehmen, akzeptieren muß und sie nicht als Ganze negieren bzw. verwerfen kann. Denn die Negation bezieht sich via Dualisierung auf das Begriffspaar und hat selber keine Umgebung.
Wegen der Dynamisierung der Differenz System/Umgebung entsteht in heterarchischen Systemen zusätzlich zur Negation noch die Möglichkeit der Verwerfung, REJEKTION, von System/UmgebungsDualitäten als Ganzen und damit eine neue funktionale Bestimmung der Dualität System/Umgebung: Die Differenz der komplexen System/UmgebungsRelation wird nun nicht mehr durch die Negation sondern durch die Rejektion bestimmt.
Logisch lassen sich in der hierarchisch fundieren Systemtheorie nur intrasystemische Informationen durch Junktoren zusammenfassen; das ZugleichBestehen von Informationen in heterogenen Systemen wird in der heterarchischen Systemtheorie durch die Operation der TRANSJUNKTION geleistet.
Das Konzept der Transjunktion ist der korrelative Aspekt der Rejektion. Die Transjunktion betont das ZugleichBestehen eines Systems mit der Umgebung dieses Systems. Das ist jedoch nichts anderes als die strukturelle Definition der Grenze eines Systems, nicht als limit, beschrieben vom Standpunkt des betreffenden Systems, sondern als Simultaneität von Innen und Außen, beschrieben vom Standpunkt eines anderen mit ihm vermittelten Systems einer SystemGanzheit. Dagegen betont die Rejektion den Aspekt der Verwerfung, der stärker ist als die Negation, da sie den systemischen Rahmen der Negation und Affirmation als Ganzes zu negieren, d.h. zu verwerfen vermag. Damit entstehen Stufungen im Begriff der Umgebung. Negation und Rejektion bilden ein neues Begriffspaar als Ergebnis der Explikation der Operation der AbGrenzung.
Die Negation der Rejektion erzeugt keine Akzeption, sondern verbleibt im Bereich der Rejektion. Diese ist also als solche negationsinvariant. Auf die Gesetze des Zusammenspiels der Negation in multinegationalen Systemen mit ihren Negationszyklensystemen und die verschiedenen Gerade der Rejektivität in transjunktionalen Systemen kann hier nur hingewiesen werden.
Heterarchische Systeme sind somit bezüglich der System/UmgebungsDichotomie multinegational, transjunktional, und bilden eine Ordnung von Strukturtypen gemäß der Kriterien Designation und NonDesignation und von Komplexionstypen gemäß den Strukturen der Verkettung, Verknüpfung und Verschmelzung zwischen ElementarKontexturen, die durch die Fundierungsrelation im Ganzen der Komplexion geortet sind und die durch die Objektionen des polykontexturalen Objekts spezifiziert sind bzw. durch ihre Komplexität die Objektion des Objekts definieren.
Zur Organisation komplexer Systeme
Auf der Basis einer architektonischen Komplexität eines Systems lassen sich verschiedene Organisationsformen definieren. Damit wird die Vielheit der architektonischen Möglichkeiten, die Komplexität und Kompliziertheit der Architektur basaler Systeme strukturiert. Komplexe Systeme sind bezüglich der Unterscheidung von Subjekt und Objekt der Thematisierung neutral, jedoch nicht in dem Sinne daß sie wie in der klassischen hierarchischen Systemtheorie Subjektivität objektiviert und verdinglicht einem hierarchischen Systemkonzept unterworfen wird. Komplexe Systeme implizieren Subjektivität und Objektivität ab ovo. D.h. ihre Begriffsbildungen sind epistemologisch angeordnet noch vor der Unterscheidung von Subjektivität und Objektivität.
Da komplexe Systeme Subjektivität implizieren und das Subjekt der Thematisierung in ihre Systematik aufnehmen, also eine Einheit von Thematisierung und Thematisiertem, System und Systembildungsprozess darstellen, lassen sich über dem allgemeinen Systembegriff Strukturdifferenzen bezüglich Subjektivitäts und Ojektivitätskomponenten feststellen. Diese Differenzen, die die Organisiertheit einer Architektur definieren, geben eine Typologie der Strukturen ab, und werden zu STRUKTURTYPEN zusammengefaßt.
Das Kriterium der Unterscheidung der Strukturtypen in einen objektiven und einen subjektiven, d.h. in einen thematischen und einen thematisierenden Aspekt, ist die Differenz von Designation und NonDesignation der Elementarkontexturen. Dabei ist diese Differenzierung von Verbundkontexturen durch das Kriterium von Designation und NonDesignation nicht statisch, sondern läßt je nach Komplexitätsgrad Partitionen im Deutungsprozess zu. Die Partitionen geben den Spielraum an als was sich ein System im Selbstthematisierungsprozess deutet. Zwischen Designation und nonDesignation besteht eine Asymmetrie zugunsten der Designation. Die Strukturtypenbildung liefert das logischstrukturelle Instrumentarium für eine Theorie der Modellierung und Simulation von Systemen unter den Bedingungen der Komplexität, d.h. der Einbeziehung des Subjekts der Modellierung, Thematisierung und Simulation in den Bereich der Abbildung. Durch die Selbstreferenz dieses Abbildungskonzepts verändern sich für die Simulation die Grundbestimmungen von Zeit, Raum und Modalität.
So ist ein postindustrielles Produkt nicht mehr charakterisiert durch das hierarchische Gefälle von Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit im Rahmen einer linearen Zeitstruktur, sondern ein Komplex von Modalitäten, der selbst inverse Zeitverläufe impliziert und weitgehend bestimmt wird durch den Einsatz von Simulationsprozessen für die sich das Verhältnis der Modalitäten von Möglichkeit und Wirklichkeit umkehrt.
Die Architektur komplexer Systeme wird bestimmt durch den Grad an iterativer und akkretiver Komplexität und Komplikation. Dieser gibt als solcher keine Auskunft über die möglichen Verknüpfungsstrukturen der einzelnen iterativ und akkretiv bestimmten Verbundkontexturen einer jeweiligen Komplexionsstufe. Die interne Strukturation bzw. Organisation der Verbundkontexturen wird durch die Arten der Verkettung, Verknüpfung und Verschmelzung der einzelnen Elementarkontexturen untereinander definiert. Insofern als die Kenogrammatik der Iteration und Akkretion von Kontexturen negationsinvariant ist, d.h. nicht nach den Regeln der identitätstheoretischen Gleichheit funktioniert, gelten für die KOMPLEXIONSTYPEN die entsprechenden Abstraktionsregeln. Die möglichen Komplexionstypen reduzieren sich damit auf die graphentheoretisch formulierten Figuren der Baumstrukturen, die figurativ zwischen Linie und Stern die Skelettstruktur der Polykontexturalität komplexer Systeme bestimmen.
Zur Prozessualität komplexer Systeme
Da komplexe Systeme aus relativ autonomen Teilsystemen bestehen, kann ein Prozeß in einem Teilsystem anfangen und a) in ihm verweilen, ITERATION oder b) in ein anderes Teilsystemübergehen AKKRETION. Prozesse können relativ frei von einem Teilsystem zu einem anderen und zurück wechseln. Ein Prozeß kann als einkontexturaler in einer Kontextur starten und in mehr als einer weiteren Kontextur als polykontexturaler Prozeß sich fortsetzen.
Damit ist die Grundlage für eine irreduzible POLYPROZESSUALIT T angeben. Die komplexen Phänomene der Mehrzeitigkeit, der Gegenzeitigkeit und der Polyrhythmie wie auch die Dynamisierung von Entscheidbarkeit und Unentscheidbarkeit in formalen Systemen lassen sich hierdurch explizieren. Die allgemeine Konzeption der Prozessualität in komplexen bzw. heterarchischen Systemen transformiert grundlegend Apparat und Konzeption der Operativität und der Entscheidung.
Das heute aktuelle Programm der Parallelisierung von Prozessen (in Hard und Software), die Entflechtung und Dezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen usw. steht trotz aller Dynamisierung unter dem Diktat des unilinearen Konzepts der Operativität. Wenn versucht wird, möglichst viele Prozesse von der Sukzession zur Simultaneität (Parallelität) überzuführen, darf nicht vergessen werden, daß dies auf der Basis der klassischen Kalkül, Automaten, usw. und der StringTheorie geschieht, für die gerade das Prinzip der Linearisierbarkeit aller operativer Prozesse charakteristisch ist. Alle operativen, dem Satz der Identität bzw. der Finitheit und Eindeutigkeit unterstellten Prozesse, lassen sich linearisieren. Die Mehrlinigkeit erzeugt keine Erweiterung der Operativität, einzig eine Minderung der Operationszeit (s. Komplexitätstheorie der Algorithmen). Diese konomisierung der Operativität in klassischen Systemen mit parallelen Prozessen, deren Abgrenzung durch die bekannten Limitationstheoreme (Gödel, Church, Markov) markiert ist, läßt sich radikal steigern, wenn die Parallelität und Simultaneität vom intra zum transsystemischen logischstrukturellen Ort verschoben wird. Parallelität nicht bloß innerhalb des einen universellen Systems, sondern Parallelität einer Vielheit von universellen Systemen, die intrasystemisch die klassische Konzeption der Parallelität aufbewahren, kennzeichnet den Schritt von der Prozessualität und Operativität hierarchischer zur PolyProzessualität heterarchischer Systeme.
Eine Konsequenz aus der algorithmischen Polyprozessualität ist nun, daß der Begriff der Unentscheidbarkeit, der den Rahmen der intrasystemischen Operativität regelt, selbst dynamisiert wird. Was in einem algorithmischen System unentscheidbar ist, kann sich in einem anderen komplexen System durchaus als entscheidbar erweisen. Daraus ergeben sich neue Möglichkeiten der Konzipierung und Realisierung von Systemen mit Selbstorganisation, Selbstreproduktion, Selbstkorrektur usw. Wegen der prinzipiellen Linearisierbarkeit von algorithmischen Prozessen in hierarchischen Systemen ist der Entscheidungsweg durch ein Labyrinth eindeutig und nichtzirkulär. Der Weg hin ist gleich dem Weg her, m.a.W., von einem Anfangspunkt zu einem Endpunkt und zurück gibt es prinzipiell einen und nur einen Weg. Für eine Entscheidungstheorie bedeutet das, daß in ihr keine transkontexturalen bergänge von einer Kontextur zur anderen möglich sind. Der Entscheidungsspielraum ist also eingeschränkt auf die intrakontexturale Alternative, ohne die Möglichkeit ihrer Verwerfung.
Polyprozessuale Systeme lassen Raum für das Zusammenspiel von kognitiven und volitiven Prozessen, ohne daß deren Heterarchie gestört werden muß. Ein Kennzeichen der Heterarchie von Polyprozessen ist, daß deren Intransitivitäten etwa bei Entscheidungsprozessen zwanglos im Rahmen der polykontexturalen Logik mit Hilfe der Operation des transkontexturalen bergangs dargestellt werden kann. Kommunikationsprozesse im Zusammenhang mit transkontexturalen bergängen implizieren die Möglichkeit einer neuen Theorie von Kodifikation und Dekodifikation, insofern als in komplexen Systemen neben dem Binarismus von Affirmation und Negation auch der Rejektionsfunktion, die den transkontexturalen bergang regelt, mit einer polyadischen Informationstheorie entsprochen werden muß. Es entsteht die Notwendigkeit der Entwicklung einer sogenannten transmedialen Kodifikationstheorie, die die klassische monokontexturale Informations und Kommunikationstheorie ablöst.
Zur Objektionalität komplexer Systeme
Das Objekt (Element) der klassischen Systemtheorie wird ontologisch durch das SubstanzAttributSchema bzw. logisch durch das IndividuumPrädikatSchema definiert und untersteht dem Identitätsprinzip, das insbesondere für den Substanzbegriff, aber auch für die einzelnen Attribute, auch trotz einiger Dynamisierungen, etwa durch die Fuzzifikation oder die Konzeption einer parakonsistenten Logik und Mengenlehre, seine Gültigkeit realisiert.
Die Gültigkeit des Identitätsprinzips für den Objektbegriff besagt, daß für die klassische Systemtheorie das Objekt prinzipiell kontextunabhängig definiert ist. M.a.W., die Substituierbarkeit des Objekts und dual dazu seine beliebige Verknüpfbarkeit (Konkatenation) mit anderen Objekten ist Ausdruck der Herrschaft des Identitätsprinzips. Das klassische Objekt kennt nur die Differenz von Substanz und Attribut innerhalb einer Kontextur, es ist also monokontextural. In der Logik wird das Individuum eingeführtüber eine Reflektion auf die Subjekt/PrädikatRelation von Sätzen, deren Logik durch die Aussagenlogik bestimmt wird. Die Aussagenlogik mit ihren zwei Wahrheitswerten ist das logische Modell einer Monokontextur. Da der Begriff des logischen Objekts (Individuum) erst in der durch die Aussagenlogik fundierten Prädikatenlogik erscheint, ist es sekundär und im Allgemeinen extensional eingeführt und wird nicht durch die kontexturale Begrifflichkeit definiert.
Im Gegensatz dazu wird der polykontexturale Oberbegriff direkt als eine SPEZIFIKATION der Elementarkontexturen einer Verbundkontextur eingeführt. Die Objektivität des polykontexturalen Objekts wird also kategorial durch die Spezifikation der Elementarkontexturen und nicht über eine Reflektion auf intrakontexturale Bestimmungen und auch nicht in Bezug auf Kontekturverhälnisse bestimmt. Korrelativ zur Einführung des polykontexturalen Objekts wird eine Elementarkontextur objektional durch ihre Relation zu den anderen Elementarkontexturen spezifiziert, charakterisiert und konkretisiert. Eine Elementarkontextur als SelbstZyklus ist durch ihre objektionale Charakterisierung eingebettet in den Gesamtzusammenhang der Verbundkontexturalität, ist also fundierter Teil des Ganzen, spiegelt die VerbundKontexturalität in sich und ist nicht eine isolierte Monokontextur ohne Umgebung. Ein polykontexturales Objekt gib an, als was die einzelnen Kontexturen im Verbund fungieren. So gibt eine Veränderung des Objekts eine Funktionsveränderung der VerbundStruktur an.
Die polykontexturale FUNDIERUNGSRELATION fundiert nicht Objekte, sondern Relationen und Funktionen zwischen Kontexturen vom Standpunkt einer oder mehrerer anderer Kontexturen des Verbundes, die als Elementarkontexturen fungieren. Die Fundierungsfunktion fundiert den relationalen Zusammenhang der Gesamtstruktur auf der Basis vorgegebener Kontexturen. Der Standpunkt, von dem aus eine Kontextur thematisiert wird, ist zwar funktional als konstante, kontextural als Elementarkontextur, jedoch nicht als Objekt definiert. Eine Konstante läßt sich relational als Reflexivität, Selbstzyklus bestimmen und kann daher als Elementarkontextur interpretiert werden. Ein Objekt ist definitorisch nicht selbstzyklisch, sondern in Relation zu allen anderen Elementarkontexturen eingeführt, also polyrelational. Das polykontexturale Objekt nimmt auf Grund seiner internen Komplexität nicht einen, sondern mehrere Orte simultan ein, es ist also polylokal. Das reine polylokale Objekt in Absehung jeder kontexturlogischer Thematisierung, bezogen nur auf seine Architektur bzw. Komplexität seiner Substanz, als reines Diesda, ist bestimmt allein durch die Struktur seiner rtlichkeit, und diese wird notiert in der Kenogrammatik als MORPHOGRAMM.
Der klassische Objektbegriff mit seiner Dualität von Substitution und Konkatenation fundiert das Prinzip der Modularität.
Für den ganzheitlich bzw. heterarchisch definierten Objektbegriff verändert sich die Dualität von Substitution und Konkatenation dahingehend, daß diese nicht mehr unter dem Diktat der Identität steht. Das heißt, daß bei der Konkatenation von Objekten zu System sich diese in ihrer Bestimmung verändern. Die Identität eines polykontexturalen Objekts vollzieht sich im Gebrauch, in der Funktion des Objekts im Gesamtkontext und verändert sich im bergang zu einem anderen Kontext. Die Identität des Objekts bewahrt sich nur in intrakontexturalen Prozessen. Vom Standpunkt der Polykontexturalität ist das klassische Identitätsprinzip also ein abgeleitetes, ein Spezialfall der ganzheitlichen kontexturalen Dynamik des heterarchischen Objekts.
Die Gültigkeit des Prinzips der Modularität ist also auf sehr spezielle Systeme eingeschränkt. Wird es nicht in seiner Beschränktheit eingesetzt, ergeben sich Kollisionen, die dadurch entstehen, daß die berdetermination der Bestimmungen der Objekte nicht zur Harmonie gebracht werden kann. Andererseits besteht nicht die Notwendigkeit, daß ein heterarchisches Objekt vollständig in einem Konnex eingebettet sein muß, um den Bedingungen einer Gesamtfunktion zu genügen. Die Komplexität des Objekts läßt es auch zu, daß es zugleich in mehreren parallelen oder gegenläufigen, konkurrenten Konnexen oder Prozessen seine Funktion erfüllt. Diese Bestimmungen sind relevant für die sogenannte Schnittstellenproblematik, wie sie in verschiedenen konkreten Systemen auftritt.
Kritik der Verschiebung von heiligen Kühen wie Komplexität, Flexibilität, Kontextsensitivität, usw., und insbesondere Selbst (Rück)bezüglichkeit von der industriellen, ökonomischen Syntax und Semiotik in die Semantik, Pragmatik und in sonst eine Kommunikationstheologie.
Der Bedeutungswandel eines Objekts beim Wechsel seines Kontextes bzw. Konnexes, der Funktionswandel eines industriellen Produkts beim bergang von einer Bearbeitungsweise zur anderen betrifft nicht nur seine Bedeutung oder seine Relevanz für die weitere Verarbeitung, sondern auch seine syntaktische Struktur. Das was das Objekt in seiner Seinsweise bestimmt ist sein Gebrauch. Der Gebrauch bestimmt jedoch nicht bloß die Bedeutung des Objekts, so daß sein materielles Substrat invariant bliebe und bloßer Träger von Bedeutung, Revelanz und anderer Interpretamente zu sein hätte. Die Idee des materiellen Trägers von Bedeutungen bzw. Attributen hat zur Voraussetzung ein homogenes RaumZeitKontinuum in dem sich der Träger d.h. die Substanz als Identität konstituiert. Ein noch so komplexer Mechanismus von Standpunkt und Relevanzwechsel ändert an der prinzipiellen Monokontexturalität des Substanzbegriffes nichts. M.a.W. die Substanz als Träger von Bedeutungsdifferenzen verhindert die Entflechtung der Standpunkte, Relevanzen usw. Die Substanz als letzte Instanz subordiniert die Differenzen der Bedeutungswechsel unter das Prinzip der Identität und der Monokontexturalität.
D.h. also, daß auf der materiellen Ebene der industriellen, oder soll man sagen, der postindustriellen Produktion alles beim alten bleibt, und sich die Komplexität und die Probleme ihrer Verarbeitung erst auf der Ebene der informationellen Produktion, d.h. der Organisation, Planung, Steuerung und Interpretation aufdrängen.
Im Modell der Tektonik formaler Systeme bedeutet das eben Angedeutete, daß zwar in der Semantik und eventuell in der Pragmatik eine Pluralität und Differenziertheit eingeführt wird, jedoch auf der Basis einer Monoformität der Syntaktik und ihrer zugrundeliegenden Semiotik. Da sich formale Systeme arithmetisieren, d.h. eindeutig auf die Reihe der natürlichen Zahlen abbilden lassen (Gödelisierung), reduziert sich die Polyformität der Semantik auf die durch die Syntaktik diktierte Monoformität. Einfacher läßt sich sagen, daß die Vielheit der semantischen Sorten, Typen usw. auf die Einzigkeit des syntaktischen Alphabets zurück zu binden sind.
Ist man einmal im Bereich der formalen Systeme, der Rekursions und Algorithmentheorie angelangt, lassen sich leicht die Theoreme der Entscheidbarkeit/Unentscheidbarkeit, Kreativität (von Funktionen), Probleme der SelbstBezüglichkeit (Organisation, Produktion, Reparatur, usw.) ins Spiel bringen und zwar einmal von der Grundlagenforschung aber auch vom applikativen Standpunkt (von Neumann, Löfgren, Zuse u.a.).
Nur von diesem monokontexturalen Standpunkt aus ist es richtig von einer strukturellen Unmöglichkeit der vollautomatischen Produktion elektronischer Objekte zu sprechen. Richtig ist, daß für Prozesse mit einer Strukturzahl größer 3 derzeit Menschen die Träger von Kreativität usw. sind. Da in der sog. Natur Lebensprozesse entstehen und vergehen ohne menschliches DazuTun; also Selbstproduktion, Autopoiesen, usw. unabhängig vom Menschen existieren und es gerade das erklärte Ziel der biologischen Kybernetik ist, diese Prozesse im technischen Artefakt zu wiederholen im Bewußtsein, daß der Mensch auch ein biologisches Wesen ist , stellt sich die Frage nach der Machbarkeit einer vollautomatischen Produktion elektronischer Produkte.
Werden die heiligen Kühe von der Semantik in die Syntax und weiter getrieben, dann muß die Selbstreferentialität auch auf dem Felde der materiellen Produktion, d.h. auf der Ebene der materiellen Bauteile, Baugruppen, Apparate, Automaten usw. zu finden sein.
Einmal muß der Mythos der materiellen Gegebenheit von Produkten, der SubstanzFetisch, gebrochen werden und die Strukturen der Selbstproduktion von Produkten außerhalb monokontexturaler Bedingungen analysiert und als technisch wiederholbar postuliert werden.
Es brauchen keine tiefgehenden ontologischen Untersuchungen angestellt zu werden; obwohl das Ganze hier tatsächlich nur im Rahmen einer fundamentalen Kritik der klassischen Ontologie darstellbar ist, dies sollte im Hintergrund immer mitbedacht werden. Mit einfachen Ad hocLösungen ist hier nichts getan um klar zu machen, daß ein Objekt nicht selbstgegeben ist, sondern nur durch seine Thematisierung, durch seinen Gebrauch zu dem wird was es ist. So ist etwa ein Kondensator eben nicht einfach ein Kondensator, sondern je nach dem, ob er im Einkauf, in der Fertigung, im Einbau, bei der Messung und Prüfung, vom Techniker, Einkäufer, Arbeiter, Physiker, Chemiker, usw. usf. bestimmt wird. Für sich allein, ohne Gebrauch, ist der Kondensator gar nicht existent. Seine abstrakte Benennung als Kondensator ist für sich auch nur ein Gebrauch. Daraus folgt nicht, daß es eine abstrakte Eigenschaft gibt, die nun zum Träger aller anderen Eigenschaften dienen könnte. Es ist also nichts Mysteriöses im Spiel, wenn gesagt wird, daß ein Produkt seine Identität wechselt, wenn es von einem funktionalen Zusammenhang zu einem anderen übergeht. Dieser Identitätswechsel bezieht sich also nicht nur (sekundär) auf organisationelle und andere funktionelle Aspekte, die sich im Modell semantisch interpretieren lassen, sondern auch auf den ontologischen, d.h. auf den objekttheoretischen Aspekt. Dieser ist jedoch primär nicht semantischer und pragmatischer, sondern wohl eher syntaktischer Natur. Statt von einer syntaktischen müßte man genauer wohl von einer kategorialen Natur sprechen. Betont werden soll nur der primäre Charakter der Untersuchung und die Abweisung von falschen Verschiebungen.
In der Terminologie der Kontexturalitästheorie läßt sich sagen, daß ein Objekt nicht wesentlich besteht aus einer Substanz und ihren Attributen, dies ist bekanntlich die ontologische Basis der Prädikatenlogik , sondern aus dem proemiellen Wechselspiel von Substanz und Attribut. Was Substanz ist in einem Zusammenhang kann Attribut sein in einem anderen und umgekehrt. Da es eine Vielheit von Attributen je Substanz gibt, ist bei einem solchen Wechsel automatisch die Einheit der Substanz aufgelöst. Wenn die Substanz in sich eine Vielheit darstellen kann, dann ist damit das Identitätsprinzip, das ja die Basis der Logik hergibt, aufgelöst. Der klassische Substanzbegriff ist monokontextural und zwischen Substanz und Attribut besteht eine strenge Hierarchie. Ein Wechsel des Verhältnisses ist nicht möglich; da dies sich doch aufdrängt, wird der ganze Umtauschmechanismus in den Bereich der Attribute verschoben, wo er eine Stufen und Typentheorie generiert, die die Grundlage für vielfältige Modellierungsmöglichkeiten liefert. Diese Vielfalt bleibt jedoch hierarchisch fundiert in der Prädikatenlogik. Die polykontexturale Konzeption dessen was ein Objekt ist, besagt also, daß die klassische Substanz von der Einheit und Identität zu einem Verbund von Kontexturen und das strenge hierarchische Verhältnis von Substanz/Attribut in ein komplexes Umtauschverhältnis von Kontext und Kontextur nach Maßgabe der Komplexität der Polykontexturalität und der Kompliziertheit der Kontexte überführt wird. Dieser bergang ist immer wieder am konkreten Beispiel, Tatbestand zu wiederholen, vorzuführen, sowohl auf der begrifflichen Ebene (Dekonstruktion) wie auf der Ebene der Formalismen.
Die Polykontextur als Auffassung der Objektivität, Wirklichkeit usw. erscheint nun in Kollision zu geraten mit der These, daß etwa zwischen elektromechanischen und mikroelektronischen und gar biotechnischen Objekten eine strukturelle Zäsur besteht und zwar solcher Art, daß nur für die letzteren Kategorien wie Standpunktrelevanz, Kontext, Komplexität, usw. für ein adäquate Beschreibung des Objektbereichs von Nutzen sind, die ersteren jedoch leicht unter das klassische SubstanzAttributSchema subsumierbar seien und sich damit der Einsatz einer polykontexturalen Objekttheorie, die keinen Unterschied zwischen den beiden Objektypen macht, erübrigt.
Hier wird vergessen, daß die polykontexturale Objekttheorie eine rein strukturelle Theorie ist und daß die Frage nach der Komplexität eines Objekts nicht allein durch das Objekt, als wäre es von jedem Gebrauch, Kontext, Relevanzzusammenhang isolierbar, bestimmt wird. Welcher Grad von Komplexität einem Objekt zugeschrieben werden muß, ist abhängig vom Grad der Verknüpftheit mit anderen Objekten, also vom Konnex.
Die ganze Mechanik des Kontextwechsels kann sich bei klassischen Objektzusammenhängen als völlig überflüssig und die klassische Beschreibung als ausreichend erweisen. Erst wenn Widersprüche, paradoxale Situationen usw. auftauchen, stellt sich die Alternative, ob mit der klassischen Konzeption noch zu fahren ist, oder ob eine grundlegende Kursänderung vorzunehmen ist. Mit der Einführung des polykontexturalen Ansatzes wird automatisch einsichtig, daß die klassische Konzeption eine echte Teiltheorie der neuen ist, und daß es daher von der alten Konzeption aus keinen natürlichen, einfachen bergang zur Polykontexturalität gibt. Daher ist auch schon ein Objekt, das bis dahin mit einer SubstanzAttribut bzw. SubjektPrädikatTerminologie ausreichend beschrieben wurde, als polykontextural bestimmbar je nach dem in welchem strukturellen Zusammenhang es verwoben ist bzw. in welche Konnexität es gesetzt wird.
Der klassische auf dem Identitätsprinzip basierende Dingbegriff hat für die Randzonen der Dinge keinen Sinn. Der Dingbegriff der klassischen Ontologie gipfelt in der extensionalen Auffassung des Dinges. Die Extension bestimmt den Umfang des Begriffes und insofern als die Extension des Begriffes durch seine Merkmale bzw. Prädikate bestimmt wird, ist der Rand eines Begriffes klar und deutlich bestimmt. Begriffe sind distinkte Einheiten. Einzig in der Anwendung taucht die Frage nach der Unschärfe des Begriffsumfanges auf. Auf der begrifflichen Ebene ist der Umfang eindeutig bestimmt durch seine Merkmale, ein Element wird von einem Begriff abgedeckt oder nicht abgedeckt tertium non datur. Auch die intensionale Auffassung hält am Satz vom ausgeschlossenen Dritten fest.
Da Begriffe durch Abstraktion gewonnen werden, egal wie die Abstraktionsleistung selbst bestimmt wird, ist für sie eine weitere Möglichkeit einen Begriff zu entschärfen wäre die Komplexität eines Begriffs in dem er irgendwo fungiert, dies wird jedoch in der klassischen Theorie dadurch abgewiesen, daß die These von der (prinzipiellen) Erreichbarkeit, Zugänglichkeit postuliert wird. Gerade am Beispiel der Quantenmechanik läßt sich diese Problematik gut studieren, Komplexität ist kein Grund für Unschärfe. Unschärfen lassen sich eher schon durch Standpunktwechsel erzeugen. Die Frage ist bloß was Standpunktwechsel bedeutet und welchen Stellenwert er innerhalb eines Begriffsystems bzw. eines Begriffserzeugungssystems einnimmt.
Eine Aufnahme von Unschärfe in den Begriff bedeutet ja genau genommen nichts anderes als eine Vermittlung von Quantität und Qualität, d.h. Zahl und Begriff. Man hat nun innerhalb der klassischen Logik zwei Möglichkeiten, einmal kann der Begriff unter die Quantität subsumiert werden, der Begriff wird der Zahl angeglichen, dies ist etwa bei der FuzzyKonzeption der Fall, oder die Zahl kann dem Begriff angeglichen werden, hier ist es schon schwieriger Beispiele zu finden. Zu erwähnen wären die Forschungen der Jungschen Tiefenpsychologie und die Synthesen der neopythagoreischen Harmonienlehre der Harmonik (Haase, Kayser), aber auch die Forschungen zur vorplatonischen Philosophie (Lohmann) und zur ungeschriebenen Lehre Platons (Gaiser, Krämer). Es zeigt sich, daß die FuzzyKonzeption komplementär ist zu den neopythagoreischen Zahlenspekulationen. FuzzySets und Zahlenmystik bestimmen die erste Etappe der Ablösung von der klassischen Dichotomie von Begriff und Zahl. Beide Konzeptionen bringen jedoch die Komplementarität von Zahl und Begriff nicht zur Geltung.
Copyright 1985 Dr. Rudolf Kaehr. This material may be freely copied and reused, provided the author and source are cited
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