Joachim Castella
I.M.A.G.E.
Institut für Medienanalyse und Gestalterkennung
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Die Logik des Subjekts und das Subjekt der Logik

Abriß einer Fehlorientierung und Umriß ihrer Korrektur.

Im Druck

Das Defizit: Die Hohlform der Logik.

Eben auf der Schwelle dieses Jahrhunderts leitet Edmund Husserl seine Logischen Untersuchungen mit einem Zitat aus der Einleitung der großen Logik John St. Mill's ein. Mill beklagt darin ein halbes Jahrhundert zuvor die disparate Vielfalt einer Disziplin, die wie keine andere von der Diskrepanz durchzogen sei zwischen dem stets und stereotyp formulierten Anspruch, eine Einheit zu bilden - und der methodologischen Wirklichkeit. Husserl setzt die eigene Einleitung mit einer wesentlich unveränderten Diagnose fort, genauer, er konstatiert die Verschlimmerung der Lage und schließt sich notgedrungen dem Seufzer des Engländers an, um in den folgenden Kapiteln neben Mill die gesamte Logik-Elite für die zu beklagende Zersplitterung verantwortlich zu machen. 2222 Jahre nach Aristoteles also und 113 Jahre nach der Kantischen Stillstandserklärung der Aristotelischen Erfindung sieht der bis dahin unbekannte jüdische Dozent sich genötigt, mit dem ganzen Gewicht von rund tausend Seiten noch einmal die disziplinären Irrungen und Wirrungen zur Disziplin zu rufen - der Einheit der Logik wegen.

Kaum dreizehn Jahre später, gewiß aber neunundzwanzig, wird die minutiöse und akribische Suche nach der Einheit der Logik Husserl selbst in die Annalen der Philosophiehistorie als weiteren Schöpfergeist eingetragen haben, der die breitgefächerte Kunstlehre des Denkens erneut um eine eigene Kunstfertigkeit bereichert hat: die phänomenologische Logik. [1] -

Wir verlassen das Anekdotische und rechtfertigen diese Erinnerung mit dem Hinweis, daß die Logik offensichtlich in Schwierigkeiten gerät, wenn sie den eigenen Universalitätsanspruch tatsächlich ernst nimmt. Darum nämlich geht es: Die Logik begreift sich als universal, weil sie als reine Logik formale und abstraktive Theorie des Denkens schlechthin sein will; die Applikationsfähigkeit und Legislativkraft "der Wissenschaft der Verstandesregeln überhaupt, d. i. der Logik", reicht als "Kanon des Verstandes und der Vernunft" bis an die Ränder des Kosmischen, "aber nur in Ansehung des Formalen ihres Gebrauchs, der Inhalt mag sein, welcher er wolle". [2] So entrichtet die Logik für die Maximierung und Totalisierung ihrer Extension den Tribut der vollständigen Ausblendung ihres materialen Gehaltes, und alles könnte sein Bewenden haben, wenn nicht der Anspruch der formalen Universalität bereits eine verborgene Aporie implizierte: Wenn die Logik als reine Formenlehre ihre Materie in der Austauschbarkeit egalisiert, wenn sie allumfassende Form für beliebig substituierbaren Inhalt sein will, dann darf die universale Einheitsform keine qualitative Unterscheidung ihrer Inhalte kennen; sie mögen sein, welche sie wollen, in jedem Fall homogenisiert das Reinheitsgebot der Form sie in die substitutionstechnisch notwendige, materiale Irrelevanz des bloßen, indifferenten und frei variablen Inhalts. Der Kanon des Verstandes, die logisch kanonisierte Vernunft erscheint als Vermögen, als dynamis und potentia, ist der auffangbereite Kübel, der seit Frege dann als ungesättigte Funktion auf die Besetzung ihrer Leerstellen durch wechselnde Argumente harrt.

Doch gerade hier, wo ihn die moderne Logik in die Klarheit des symbolischen Kalküls transferiert, unterminiert sich der universale Anspruch am deutlichsten. Mit Beobachtern operierende Systemtheoretiker würden von blinden Flecken sprechen, wenn die Übersetzung des logischen Programms in die Formelsprache des reinen Denkens, wie Frege seine Begriffsschrift untertitelt, die Kollision des weitest möglich gesteckten Rahmens sinnfällig in der Unmöglichkeit offenbart, daß Argumente je etwas sein können, als eben Argumente. Die logische Materie, die Inhalte treten ausschließlich als Argumente auf, die dazu dienen, die ergänzungsbedürftigen Leerstellen der Funktion, der Form zu komplettieren; ihr Definitionsbereich - sie mögen sein, welche sie wollen "ist das All des Denk- und Vorstellbaren, das bei geeigneter Einsetzung aus offenen Aussageformen wahre Urteile werden läßt. Argumente dabei sind logische Gegenstände, und "Gegenstand ist alles, was nicht Funktion ist, dessen Ausdruck also keine leere Stelle mit sich führt.", schreibt Frege die Unterscheidung eindeutig fest, [3] die auch dadurch keine Aufweichung erfährt, daß Funktionen mitunter an die Stelle der Argumente rücken können. Ganz im Gegenteil eröffnet das placet, das Frege den Funktionen ausspricht, auch Argument für Funktionen höherer Ordnung sein zu dürfen, den Reigen der Funktionen zweiter und n-ter Stufe, [4] und die zugrunde liegende Ordnung/Unterscheidung von Funktion und Argument bleibt im damit angelegten infiniten Regress unangetastet. Denn: "Dies gilt allgemein: das Zeichen einer Funktion ist ungesättigt, bedarf einer Ergänzung durch ein Zahlzeichen, das wir dann Argumentzeichen nennen", [5] und dessen wesentliche Supplement-Funktion durch die Grundsatzentscheidung definiert wird, "daß das Argument nicht mit zur Funktion gehört". [6] Rücken Funktionen hier an die Stelle der Argumente, so sind sie unwiderruflich Argumente, und ausgeschlossen damit ist, daß Funktionen als Funktionen Argument werden, daß Formen selbst und zwar als Formen zum Inhalt und Thema von Formen avancieren, daß also das Regelwerk selbst sich zum Gegenstand der eigenen Regelung macht. Hier führt die Reinheit der Formalität, mit der die Logik ihre Universalität begründet, zu dem definitiven Verdikt, daß die als Vermögen, dynamis, konzipierte Form des Denkens je als energeia, actus, als realer Vollzug des Denkens thematisiert wird, daß in der Logik das aktuale In-formieren der Form zugleich als Inhalt erscheint, ohne seine logische Rolle, Form zu sein, aufgeben zu müssen. "Diese Trennung des Urteilens von dem worüber geurteilt wird, erscheint unumgänglich" [7] und verunmöglicht so, daß das prozessierende Subjekt der Logik selbst je eine objektive Gestalt annehmen kann, die seine Subjektivität nicht unterminierte.

Wird solches trotz allem versucht, starten etwa Kant und Husserl den Versuch, auch die subjektiven Modi am Urteil einzufangen, so ist das Ergebnis in beiden Fällen ein Überborden der Logik. Transzendentallogik bei dem einen und transzendentale Logik, resp. Phänomenologie bei dem anderen gebärden sich gerade nicht mehr als klassische, formale Logik, wenn sie den blind spot der Logik, das Subjekt, zu erhellen suchen. Hier, wo die Logik es unternimmt, nicht nur die konstituierenden Faktoren am Urteil, das Urteilen als subjektive Leistung zu erfassen, vielmehr auch diese Leistung selbst in Ansehung und Abhängigkeit der materialen Gehalte noch zu differenzieren, transformiert sich Logik in Erkenntnistheorie und offenbart im Umkehrschluß die defizitäre Verfassung der Logik als eine zwangsläufige: Die Ausblendung der materialen Aspekte am Logischen, das Selbstverständnis der Logik als rein formale Theorie, involviert unmittelbar das Durchstreichen des logischen Subjekts; die dem Subjekt reservierte Form - "denn nicht der Stein liegt in der Seele, sondern seine Form" [8] - ist als potentiell allumfassende dazu verurteilt, das All des Denkbaren gerade ohne den Prozeß des Formatierungsaktes der Welt und ohne den Ausgangspunkt dieses Prozesses zu denken; Form und Subjekt sind der Logik allein regulative Ideen, die wohl jeden logischen Akt müssen begleiten können, die sich aber der Selbstthematisierung von vornherein entziehen.

Hier verbinden sich Form und Subjekt zu dem einen Pol, dem Inhalt und Objekt als zwar notwendige Korrelate gegenüberstehen, doch haben philosophische Gegensätze ihre bloß antagonistische Unschuld spätestens verloren, seit Derrida uns erinnert, daß hinter metaphysischen Oppositionen stets auch das Herrschaftsgefüge einer Hierarchie verborgen ist. [9] Objekt und Inhalt rangieren so in ihrer Austauschbarkeit als das Uneigentliche, Nicht-Wesentliche an einer Strukturtheorie, die das Material der regelgeleiteten Manipulation allein zum Zweck der Demonstration, Explikation, Verifikation, Falsifikation ihrer formalen Schlußweisen instrumentalisiert, und die dies kann, weil die logische Thematisierung die Gegenstände gerade nicht auf ihr Wesentliches hin befragt: Abstraktion, d.h. das Aussondern und Selektieren einzelner, für die Logifizierung relevanter Merkmale gerät zum Urgestus des Logikers, der sich so die Prädikabilität seiner Urteilsform sicherstellt. Hypokeimenon und kategorumenon, das Zugrundliegende und das, was darüber auszusagen ist, figurieren von Anbeginn die Apophantik, und obgleich hypokeimenon noch mit subiectum übersetzt wird, ist die ohnehin dünne Spur des Subjekts, die Aristoteles noch im Urteil kennt, lange schon getilgt. Aristoteles, und mit ihm die Tradition, die ihm folgt, zollt der ontologischen Präferenz, Wesen und Substanz als Träger akzidenteller Eigenschaften zu denken, den Tribut, der die metaphysische Dominanz des hypokeimenon in der logischen Betonung des Satz-Subjekts als einem selbständigen, zugrundeliegenden und einheitsstiftenden Fundament für darauf aufsitzende Prädikate wiederkehren läßt. Doch die ontologische, erkenntnistheoretische und bis heute gültige Umorientierung am Beginn der Moderne verlagert die Dominanz im logischen Satz auf das Prädikat: das Wesen wird nicht mehr auf sein (aus der Natur) rezeptiv erfahrbares Was-sein befragt, sondern sein Wie-sein als attribuierende und pradizierende Erkenntnisleistung des Vernunftvermögens rückt in den Vordergrund, und das Satz-Subjekt gerät in "eine abhängige Rolle gegenüber dem Prädikat, das als grammatischer Repräsentant des Begriffs das Gegenstands-Subjekt in seinen Dienst nimmt, um sich zu ergänzen und zu vervollständigen." [10] Hier dann haben sich die Verhältnisse dahin reguliert, daß die Satz-Subjekte eben diese Attribuierung nur noch als grammatikalische Qualität verdienen, denn sie sind nicht mehr autonome Zugrundeliegende, sondern verfügbare Gegenstände, Objekte des Souveräns der logischen Form, der ihnen - Kant sei es gedankt - die Kategorien seinem transzendentalen Gusto gemäß testiert. Vollgültig instantiiert damit ist die Apohantik als Ort der Objektivation, dem nichts Selbständiges mehr zu Grunde liegt. Vollständig vergessen jedoch ist der alte Nexus, der bis Leibniz noch ein Bewußtsein dafür offen hielt, daß die Substrate der Logik und Ontologie koinzidieren, daß Logik und Ontologie nur medial verschiedene Zugänge zum Seienden bedeuten, das sich in seiner ontologisch-metaphysischen Seinsweise als Inhalt gerade nur so aufschließt, wie die Form logischer Quantifizierung und Qualifizierung dies determiniert.

Es ist die von Leibniz vollzogene Scheidung des Inhalts von seiner Form, der die neuzeitliche Logik durchaus ihren "Sonnenaufgang" verdankt, [11] einen lichtvollen Progreß, dem allerdings lange Schatten folgen, wenn die rein formalen Regeln nunmehr "so formuliert werden müssen, daß man bei ihrer Anwendung an die inhaltliche Bedeutung der Ausdrücke, auf die sie angewendet werden, überhaupt nicht mehr zu denken braucht." [12] Logik und Mathematik analogisieren sich, und gänzlich verdunkelt wird so die Möglichkeit, daß die formale Logik in formalisierter Form, daß die Logistik also, wie die symbolische Logik auf dem Genfer Philosophenkongreß 1904 schließlich von Couturat getauft wird, als mathematisches Lavieren im calculus ratiocinator die Geschlossenheit des rein syntaktischen Ableitungssystems je in Richtung einer philosophischen Relevanz verläßt. Kein Inhalt trübt länger die reine Formalität symbolischer Logik, ein Opfer, das hinreichend mit dem Aufstieg der Logistik belohnt wird, wenn sie in der Grundlagenkrise - obgleich nicht unumstritten - die Geometrie als apriorische Letztbegründung der Mathematik, mithin der Rationalität schlechthin ablöst.

Der Kompensationsversuch von innen: Mehr Inhalt in die alte Form.

Bleibt die solcherart erfolgsverwöhnte Logistik als Abstraktion der Abstraktion im deduktiven Formalismus beschlossen, dann hat sie sich bereits weit von ihrer Schwester, der klassischen formalen Logik entfernt, die sich mit Macht gegen den drohenden Terrain-Verlust sträubt. Die Kuzformel: "Logiker denken. Logistiker rechnen." [13] zeigt schlagwortartig die Distanz an, die innerhalb der Disziplin zwischen formalen und formalistischen Vertretern herrscht, und die sich um ein gutes Stück vergrößern läßt, wenn die ganze Aufgeregtheit dieser methodologischen Streitigkeit noch mit dem Anspruch konfrontiert wird, den wir von Husserl bereits als das Einklagen der subjektiven und materialen Seite am logischen Urteil kennen. "Die Lehre von dem Etwas oder den Etwas überhaupt, d. i. von Gegenständen überhaupt als Substraten möglicher prädikativer Sinne, die sollen in fortgehender Prädikation einstimmig urteilbar sein können, ist die formale Ontologie. Sie ist nur eine korrelative Betrachtungsweise der Lehre von den einstimmigen Urteilen überhaupt und den Formen, in denen sie sich zu konsequenten einstimmigen Urteilssystemen zusammenschließen. Eine voll umfassend gedachte apophantische Logik ist von selbst eine formale Ontologie, und umgekehrt eine voll ausgeführte formale Ontologie von selbst eine formale Apophantik." [14] Logik und Ontologie als duales System - Husserl entläßt die Logik nicht aus ihrer inhaltlichen Verantwortung, aus der sich schon die formalen Logiker im Stile Arnauds, Erdmanns, Sigwarts, daran anknüpfend Jacoby und Freytag, zu stehlen suchen; von den syntaktischen Logistikern ganz zu schweigen. Das Motiv Husserls, auf der inhaltlichen Füllung der Logik zu beharren, ist dabei das direkte Ergebnis seines Kampfes wider den Psychologismus: Wenn der Psychologismus die triadische Schnittmenge von Logik - Denken - Psychologie bildet, in Verkennung der "Unterschiede zwischen Idealgesetz und Realgesetz, zwischen normierender Regelung und kausaler Regelung, zwischen logischer und realer Notwendigkeit, zwischen logischem Grund und Realgrund", in Verkennung also der Differenz "zwischen idealen und realen Objekten", [15] sowie der apriorischen Geltung und kontingenten Anwendung der logischen Gesetze, [16] dann setzt die anti-psychologistische Distinktion Husserls, "daß unter subjektiven Bedingungen der Möglichkeit hier nicht etwa zu verstehen sind reale Bedingungen [...], sondern ideale Bedingungen, die in der Form der Subjektivität überhaupt und in deren Beziehung zur Erkenntnis wurzeln", [17] ihn unter Zwang, nicht nur die idealen Objekte der Logik als Inhalte vorrangig zu behandeln, sondern auch den subjektiven Modus ihrer logischen Thematisierung als nicht-psychologistischen zu dechiffrieren. Das Abwehrgefecht fordert zu positiver Konkretion, und die noetisch-noematische Doublette, als welche diese simultane Einheit von Form und Inhalt, von Prozeß und Produkt in Abhängigkeit vom begrifflich-urteilenden Erkennen des Subjekts dann innerhalb der konstituierenden Phänomenologie reüssiert, erwächst somit aus der scheinbar paradoxen Notwendigkeit, die Reinheit der Logik vor dem "ungesunden psychologischen Fette" [18] gerade auf jenem Weg zu bewahren, der ihr als reiner Formenlehre erstmals die Genuinität ihres Inhaltes sichert.

Erscheint dieser aber in der klassischen Theorie aufgrund der Form-Inhalt-Dichotomie notwendig als Supplement der Form, dann ist es von hier aus nicht mehr weit zu der Einsicht, daß die klassische Logik als formale nur die eine Seite des logischen Spektrums abdeckt, daß ihr gegenüber eine subjektive Ergänzung einzufordern ist, "welche das Subjektive der Erkenntnis überhaupt und der Erkenntnis aller Gegenstands- und Wissenschaftsgebiete systematisch erforscht." [19] Das Ziel ist mithin eine "universale Wissenschaft von diesem Bewußtseinsmäßigen und einer Subjektivität überhaupt, die und insofern sie jederlei 'Objektives', objektiven Sinn und objektive Wahrheit jeder Art, im Erkenntnisleben gestaltet, [...] also thematisch alles mögliche Subjektive des Erkennens aller Wissenschaft in ähnlicher Weise [umspannt], wie eine Logik in ihren Begriffen und Gesetzen thematisch alles mögliche Objektive aller Wissenschaft umspannt. Anders ausgedrückt, eine Logik als rationale Wissenschaft von der Objektivität überhaupt [...] hätte als notwendiges Gegenstück eine Logik des Erkennens, eine Wissenschaft, und auch vielleicht eine rationale Wissenschaft von der Erkenntnissubjektivität überhaupt [...]." [20]

Zwar wird Husserls Ringen um eine rationale Wissenschaft der Erkenntnis-Subjektivität ihn von der Logik entfernen, doch zeitigt der von ihm etablierte Anspruch einer Verknüpfung der inhaltlichen und formalen Aspekte seine Konsequenzen in der mathematischen Logik, um sich dort so weit zu etablieren, daß die symbolische Logik schließlich indirekt und nach rund sechzig Jahren Anlaufzeit auch dem zweiten Husserlschen Postulat zumindest ansatzweise Rechnung tragen wird: der notwendigen Korrelation von materialem Gehalt und subjektiver Thematik.

Denn mathematische Logik erschöpft sich in der Mitte dieses Jahrhunderts schon über zwei Dezenien nicht mehr in reiner Syntax, auch wenn Freytag, Jacoby und Albrecht dies geflissentlich übersehen. Am Beginn der 30er Jahre setzt mit Tarski vielmehr eine Entwicklung ein, von der die Logistik sich nicht zu unrecht den wesentlichen Ausbruch aus der Beliebigkeit der Interpretation ihrer Kalküle erhofft. Dabei sind es die Logischen Untersuchungen, die in Polen produktiv rezipiert werden, konkret die Kriterien Husserls, mit denen er apriori die Substitution einfacher und zusammengesetzter Ausdrücke gegen Unsinn und Widersinn zu entscheiden sucht: Die Bedeutungskategorien, d.h. eine Typik kategorialer Strukturen, die als Klassen diejenigen Elemente umfassen, deren freie Substitution rein syntaktisch keinen kontextuellen Widersinn produziert. [21] So entwickelt - unter Berufung auf Husserl - bereits Adjukiewicz gemeinsam mit Tarskis Doktorvater Lesniewski eine kategoriale Grammatik auf der typentheoretischen Stufung der Bedeutungskategorie in Grund- und Funktorenkategorie im Sinn der rein logischen Grammatik Husserls, [22] doch es bleibt Tarski vorbehalten, diesen Einfluß zur definitiven Berühmtheit zu modulieren, wenn er sowohl auf der Bedeutungskategorie seine semantische Kategorie aufbaut, wie seinen Wahrheitsbegriff in Anlehnung an den Erfüllbarkeitsbegriff Husserls formuliert. [23]

Spätestens mit der deutschen Fassung vom Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen (1935) also verschafft sich eine langjährige Entwicklung die ihr gebührende Öffentlichkeit, und wenn die formalen Logiker in ihren Streitschriften dies bis in die 60er Jahre hinein mit keiner Silbe erwähnen, dann scheint eine tiefe Bedrohung in der epochalen Arbeit des polnischen Logikers angelegt zu sein, mit der dieser die Semantik fest dem logischen Archiv inventarisiert. Und in der Tat vollzieht sich hier jener der Logistik angeblich verborgene Schritt zur inhaltlichen Relevanz, wenn nunmehr das Verhältnis von Designator und Designatum in metasprachlicher Relation distinguierbar wird. Bedeutung bei Frege, Sinn bei Husserl - gleichgültig welcher Terminologie man folgt, in jedem Fall ist das wesentliche Defizit der bis dahin rein ableitungstechnischen Kalküle überwunden, wenn die Logistik nun den verloren geglaubten Boden zurückerobert - dies mit Hilfe der vermeintlich sinnleeren Symbolik.

Wie weit aber, um an die eingangs gestellte Frage zu erinnern, wie weit nun leistet die grundsätzliche Möglichkeit der Semantik, "daß wir für eine beliebige vorgegebene Sprache S imstande sind, in der zu S gehörigen Metasprache M die semantischen Begriffe für S einzuführen", [24] den dringlichen Kompensationsakt, mit dem die Logik den Partikularismus ihrer maximalen Formalisierungsmöglichkeit mit dem prätendierten Universalismus zur Deckung bringen könnte? Anders: Orientiert die semantische Kapazitätserweiterung der Logistik sich final an dem Maximalziel, ihren kalkültechnischen Beschreibungsrahmen für das beschreibende Subjekt zu öffnen, oder läßt sich die Einbeziehung der Designator-Designatum-Relation eher als kausal determinierte Reaktion verstehen, mit deren Hilfe formale Insuffizienzen und technische Defizite aufgefangen werden sollen? Wir brauchen nicht in Spekulationen abzugleiten, das "Ereignis Gödel" markiert eine unabweisbare Zäsur, die die grundlagentheoretischen Ansätze des Russellschen Logizismus, den Formalismus Hilberts nicht weniger in die Schranken weist, als das Welt-Formalisierungs-Projekt Carnaps. Formal-logische Sachzwänge also drängen sich als motivationale Auslöser gewiß in gleichem Maße auf, wie die visionäre Teleonomie, dem ureigensten Anspruch der Logik, i.e. die Form des Denkens schlechthin abzubilden, ein Stück weit näher zu kommen.

Wie dem auch sei, im Ergebnis zumindest vollzieht die Semantik einen bedeutenden Schritt in Richtung einer auch inhaltlich reicheren Logik, und mit dem Ziel, Sinn und Bedeutung kalkültechnisch darzustellen, könnte ihr sogar der Transfer in die Linguistik offenstehen, um den Fregeschen Traum der Formelsprache des reinen Denkens zu erfüllen, die das Kontingenz-Regime des Wortes über den menschlichen Geist beendet. Doch ebenso, wie jede Grammatik die allgemeinen Regeln einer Sprache in expliziter Unabhängigkeit ihrer Sprecher kodifiziert, bleibt auch in der Bedeutungstheorie das Logik treibende Subjekt außen vor, und die wahrheitswerttheoretische Semantik verfestigt mit ihrer durch und durch positivistischen Präsupposition erneut jenes folgenschwere Vergessen, in dem die Logik den Grad ihrer formalen Objektivität genau in dem Maße gewinnt, wie das Subjekt sich ihm thematisch, als Inhalt entzieht. Weil der Inhalt für das Objekt reserviert ist, und zwar für ein supplementäres Objekt, dessen Einsetzbarkeit die sättigungsbedürftige Funktion in keiner Weise affiziert, weil also vor der logischen Form alle Dinge gleich sind, darf der Logiker selbst auf keinen Fall als (dann notwendig egalisierter) Inhalt seiner Form erscheinen. Nichts würde ihn mehr unterscheiden von den Dingen, eine Differenz, derer er aber vital bedarf, um die Hoheit am logischen Prozeß nicht einzubüßen.

Der Kompensationsversuch von außen: Neue Form und Onto-Logik.

Auf einem Umweg also führt das Ausblenden der formal-ontologischen Was-Frage, mit Hilfe dessen sich das Subjekt aus der rezeptiven Passivität vor der Welt in die Kantische Produktivität des Wie-für-mich rettet, zu der Unmöglichkeit, daß das Ich seiner selbst je positiv ansichtig wird, daß es - ohne sich in die Objektivität zu homogenisieren - sich je als Gegenstand der eigenen Selbst-Logifizierung zugrunde legt. [25] Folgenschwer bricht in die Logik das Paradox des Logozentrismus ein, dessen Selbstgewißheit und -sicherheit sich gerade auf einer Leerstelle errichtet, insofern das reibungslose Funktionieren seiner Rationalitätsform von einem präexistent und nicht hintergehbar angelegten Subjekt abhängt, das aber - um nicht in den Paralogismen der reinen Vernunft, resp. dem transzendentalen Schein zu straucheln - zugleich immaterielles, a-hyletisches, mithin transzendentales Subjekt zu sein hat. Wenn hier die ungesättigte Funktion, das prädikable Wie des Seienden in Abhängigkeit vom Ich steht, wenn der Begriff immer schon subjektive Leistung ist, dann bliebe dem Ich, um zum Begriff seiner selbst zu kommen, nur die Möglichkeit, sich als Leistung der Leistung zu erfassen, als Begriff des Begriffs, als absoluter Begriff. Solches aber kollidiert mit der Form-Inhalt-Dichotomie, die sich als absolute Grenze definiert, und solches läßt diejenigen, die es dennoch versuchen, zu Outsidern des logischen Alltagsgeschäftes werden. Hegel wäre hier zu nennen, dessen Logik sich unter Logikern kaum aus dem Ruche begrifflicher Sophistikation befreien kann, wenn im spekulativen Satz das denkende und sprechende Subjekt den Prozeß seines eigenen Denkens und Sprechens als Prozeß, Produkt und Objekt simultan vollzieht und beobachtet, wenn mehr noch im absoluten Begriff die Reflexion selbst zu sich kommt, an die das reflektierende Subjekt seinen Alleinvertretungsanspruch je schon abgetreten hat. Und wenn Gotthard Günther seine Wurzeln eher in Hegel als in Kant schlägt, dann erklärt dies nicht nur die ungebrochene Notwendigkeit zur situierenden Vermittlung, der sich auch dieser Text verdankt, dann indiziert dies vielmehr die grundlegend divergierende Zielsetzung, unter der Günther von allem Anfang sein Nachdenken der Form des Denkens widmet: Es ist jener, der Hegel- und Logik-Orthodoxie gleichermaßen suspekte Optimismus, der hinter dem metaphysisch-spekulativ verbrämten Logik-Konvolut Hegels die subtile Analyse sowohl der Bedingungen als auch der Mechanik erblicken möchte, denen die Einschreibung für Subjektivität allererst zu folgen hat, es ist die Hoffnung, mit dieser strukturtheoretischen Inversion fernab von Anthropozentrik und Logozentrismus, der Möglichkeit zur Selbstobjektivation unter der doppelten Bedingung der Preisgabe des hypostasierten Subjekts einerseits und einer qualitativen Komplexion des Form-Begriffes andererseits zur formalen und formalisierbaren Realität zu verhelfen. Gerade dies sind die Grundzüge einer neuen Theorie des Denkens, die Günther aus der Logik Hegels elizitiert, um sie als Grundsatzprogramm seinem eigenen Werk zu installieren: Das Denken, das als wahrhaft universales nicht umhin kann, auch sich selbst zu begegnen, stößt unter den Maßgaben des linearen, dualistischen Logozentrismus im Moment der Rückkoppelung in die materiale Leere seines blinden Fleckes und offenbart diese Insuffizienz als den Mangel der Form; ebensowenig wie das Subjekt sich selbst befassen kann, ohne sich in sein metaphysisches Pendant, das Objekt, zu verwandeln, gelingt dies der homolog konzipierten Form, solange sie im absoluten Gegensatz zum Inhalt als homogen und unteilbar erscheint. Hier entschlüsselt sich die Aufgabenstellung, die das Subjekt als Subjekt zu sich bringen will, koinzident mit der Arbeit an der Form; die Hierarchien müssen dekonstruiert werden, es gilt die Einheit und Einzigkeit von Form und Subjekt zugleich und wechselweise zu disseminieren, und Günthers Rekurs auf Hegel geht das Wagnis ein, mit der Entgrenzung der Objekt-Logik in eins die sie fundierende und von ihr abhängige Metaphysik zu transformieren. Denn Günther ist nicht nur bereit, die Husserlsche Gleichung von Logik und formaler Ontologie zu unterschreiben, vielmehr radikalisiert er sie in einer Weise, die Husserl selbst zu gehen nicht mehr gewillt ist. Erst der Husserl-Schüler Heidegger wird mit Günther darin übereinkommen, daß eine intrinsische Reparatur hier nur Symptombehandlung sein kann, daß vielmehr das alte System insgesamt im Zuge einer konstruktiven Fundamentalkritik zu unterlaufen/überhöhen ist. Rejektion, der dem Modell des dialektalen Dreischritt entwachsene Qualitätsgewinn auf einer komplexeren Ebene, ist hier maßgebender terminus technicus, denn der Abnabelungsprozeß erfolgt mit zweifacher Stoßrichtung: "Eine bestimmte Logik indiziert eine bestimmte Bewußtseinslage. Will man von jener Bewußtseinslage fort, so muß man zuerst die Werkzeuge wegwerfen, deren sich das Denken auf der zu verwerfenden Stufe bedient." [26] Und umgekehrt: "Um einen neuen echten Formalismus an die Stelle des alten zu setzen, muß man vorerst ein neues ontologisches Weltbild besitzen" [27]

So spielt Günther mit hohem Risiko, denn mit Hegel Ernst zu machen, heißt Ernst zu machen mit der Forderung nach einer neuen Form, nach einem qualitativ vollständig neuen Formbegriff, der sich der alten Dichotomie zur Gänze entzieht, und der Glaube an die Transfermöglichkeit Hegelscher Geistphilosophie in die Nüchternheit des Kalküls setzt ein nicht unbeträchtliches Vertrauen in die eigenen Stifterqualitäten voraus, kann dies doch nur in der simultanen Transformation von Logik und Ontologie, von Theorie der Form und Metaphysik gelingen. Die Charakteristik des Güntherschen Denkweges also ist durchaus von einem mosaischen Aufbruch-Habitus getragen, denn obgleich sein Exodus in den Grundzügen das unbetretene Land der neuen Form als notwendiges Postulat bereits vor Augen hat, ist der anfängliche Gang ein ungewisser, der um das totaliter aliter dessen weiß, was ihm der leitende Fluchtpunkt ist. [28]

Nicht ohne systematische Relevanz dabei ist der Zeitpunkt dieses Aufbruchs, liegt er, in historischen Maßstäben gemessen, nur einen Bruchteil vor dem Neuansatz Tarskis; er vollzieht sich leise und abseits vom Fackelzugtaumel des Jahres 1933, dessen verblendeter Feuereifer zuerst den polnischen, später auch den deutschen Logiker zu einem Exodus ganz anderer Art in die transatlantische Dependance des Pragmatismus führt. Doch bliebe Biographisches dieser Art nur schilderndes Beiwerk, wenn nicht die Spezifik der beiden Logik-Konzepte dieser Transposition auf amerikanischen Boden ihre zunehmende Kontur verdankte, eine Tiefenschärfe, die das je schon vorgezeichnete Auseinanderdriften in deutlichere Distanz überführt.

Denn daß Günther eine in Syntax, Semantik und Pragmatik sich ausdifferenzierende Logik insgesamt als Klassische verhandeln kann, [29] der gegenüber er seinen Ansatz - und dies nunmehr vor dem verifikationistisch geübten Auge des Pragmatismus - als transklassisch deklariert, ist ohne den Kontakt mit der amerikanischen Kampfansage an den Behaviorismus, i.e. die Kybernetik, kaum vorstellbar, wie umgekehrt die Kybernetik in dem Kontinental-Philosophen Günther ihren profundesten Rechtsbeistand findet, so es darum geht, sie aus dem Ghetto bloßer Ingenieur-Fertigkeit in den transzendental-philosophischen Vorhof einer materialistischen Theorie des Geistes zu leiten. Diese der Katheder-Philosophie schwer nachvollziehbare Rückkoppelung ist für das an den mehrfach geschlossenen Kreisen Hegelscher Systemik geschulte Denken Günthers nicht nur augenscheinlich, vielmehr fällt ihm mit der Kybernetik jene materialindifferente Strukturtheorie als der produktive Katalysator zu, die den Zugang in das metaphysisch dringlich bedurfte Neuland zwischen Geist und Materie eröffnet. Pointiert ließe sich der wesentliche impact der Güntherschen Neugründung der Logik gerade mit seinem in Amerika vollzogenen Wechsel von der Logik- in die Kybernetik-Fraktion darstellen; dieser Wechsel ermöglicht es, einen neuen echten Formalismus an die Stelle des alten zu setzen, weil er den Horizont öffnet, in dem ein neues ontologisches Weltbild in den Blick tritt, während diese metaphysische Neusituierung es schließlich ermöglicht, die Werkzeuge wegzuwerfen, deren sich das Denken auf der zu verwerfenden Stufe bedient. [30]

Die Begegnung mit der dritten ontologischen Dimension also wird Günther nicht nur gleichermaßen vom dialektisch-materialistischen wie idealistisch-bürgerlichen Lager entfernen, sie promoviert stärker noch die definitive Sezession dessen, was sich schon von der reflexionslogischen Basis Hegels aus als transklassische, polykontexturale, multinegationale Logik aufmachen kann, um nun auch den grammatologischen, semiologischen, zeichen- und also formtheoretischen Bruch mit der traditionellen Logik und Rationalität schlechthin zu vollziehen. Ontologie, Formtheorie, Logik, Zeichentheorie gehen hier eine borromäische Koppelung ein, die eine isolierte Betrachtung ihrer jeweiligen Komponenten innerhalb des Güntherschen Transformationsprozesses von vornherein als inadäquat erscheinen läßt. Dabei ist die Unlösbarkeit dieser molekularen Struktur weder Postulat noch Erfindung eines transklassischen Denkens, vielmehr erweist sich ihre Kohäsion als das verdrängte Apriori der Logik/Ontologie selbst, das an anderer Stelle offen zutage tritt, wenn die einstmals durch logische Analyse der Sprache überwundene Metaphysik (Carnap) erneut in einer Logik reüssiert, die das von Tarski aufbereitete semantische Präludium konsequent zu Ende denkt, die also glaubt, sich exklusiv von einer Komponente her - dem Form-Inhalt-Aspekt - dem Problem einer vollgültigen Theorie des Denkens nähern zu können.

Noch einmal von innen: Der Sinn des Inhalts der alten Form.

Die Einsicht zumindest, daß die Form als Hort der Objektivität allein nur ein Abbreviatur menschlicher Reflexionsleistung sein kann, macht sich mit einiger Verzögerung auch im Lager der "klassischen Theorie" breit. Auch hier bricht sich das Problem des Inhalts als das des Subjekts die Bahn, auch hier gelangt der Nexus von materialem und subjektivem Aspekt allmählich an die Oberfläche, und kristallisiert sich - bewußt oder unbewußt - in der Husserl-Güntherschen Diagnose: Solange der materiale Gehalt des logischen Urteils sich in der Irrelevanz beliebiger Austauschbarkeit erschöpft, solange die Form ihre Dignität allein aus der absoluten Unterscheidung gegenüber dem Inhalt gewinnt, solange dem Inhalt eine qualitative Differenzierung seiner selbst verwehrt ist, solange also die Dichotomie von Form und Inhalt nicht mindestens in eine Trichotomie transformiert wird, solange wird das subjektive Moment am Urteil keinen Eingang in den Kalkül finden.

Die Symptomlage also ist unbestritten, und wir können das Auseinanderdriften, von dem die Rede war, nun näher verfolgen, wenn wir darauf sehen, wie die Modulationen an dem von Tarski grundgelegten Modell versuchen, dem Problem Herr zu werden. Denn auch die Entwicklung der traditionellen Logik verzeichnet ein Aufbegehren gegen die vollständige Ausblendung der materialen Komponente des Logischen, ein Aufbegehren, das unter der Sigle der intensionalen Logik [31] längst zum festen, wenn nicht dominanten Bestand logischen Operierens zählt, und das - neben der wegbereitenden Arbeit Carnaps - in erster Linie dem grundlegenden Werk Kripkes seine Kanonisierung verdankt. Kripke [32] überwindet die unbefriedigende, weil digital geschaltete "Entweder-oder"-Alternative des Tarskischen Erfüllbarkeits-Begriffs, indem er über eine technische Erweiterung der Aussagen- und Prädikatenkalküle die Ausdehnung der Tarski-Semantik auf mögliche Welten, d.h. auf formale Sachverhalts- bzw. Individuen-Mengen leistet. So gelingt ihm die Einbindung der Modalitäten "notwendig", "möglich", "unmöglich" in die Semantik mittels einer für die Modalitäten notwendigen intensionalen Interpretation eines Ausdrucks mit Hilfe der extensionaler Interpretationen.

Die wesentliche Vorarbeit hierzu stammt dann von Carnap, der sich der Leibnizschen Idee der möglichen Welten erinnert, um sie als mögliche Zustandsbeschreibung zum wesentlichen Bindeglied zwischen Intension und Extension zu instantiieren, [33] wenn er einerseits die wahrheitswertsfunktionale Komponente der Semantik, also die Bestimmung der Extension eines Satzes als dessen Wahrheitswert aufgreift, um sie mit der Frage nach den Bedingungen ihres Erfülltseins ganz unmittelbar in intensionale Kontexte einzuflechten: Notwendig wahr ist ein Satz, der in jeder möglichen Zustandsbeschreibung, resp. in jeder möglichen Welt wahr ist, d.h. ein Satz ist intensional als notwendig wahr nur zu bestimmen, in Abhängigkeit von der extensionalen Gültigkeit in allen möglichen Zustandsbeschreibungen; und umgekehrt wird die Extension des Ausdrucks, also sein tatsächlicher Wahrheitswert, nur bestimmbar aufgrund der Bedingungen seines Wahrseins für mögliche Welten, also in Abhängigkeit seiner Intension.

Carnap also leistet die wesentliche Analyse des Bedeutungsbegriffs - formelhaft: die Bedeutung eines Ausdrucks zu kennen, heißt, seinen Begriffsumfang in allen möglichen Welten bestimmen zu können - bleibt aber mit dieser Binnendifferenzierung im Rahmen logisch-philosophischer Deskription, und es ist das große Verdienst Kripkes, auf dieser Basis eine Semantik zu entwickeln, die es ermöglicht, intensionale Modalitäten im extensionalen Kalkül darzustellen. Der entscheidende Schritt liegt dabei in dem vom Konstrukt der möglichen Welten gewährleisteten Übergang von Einzelausdrücken zu Mengen von Ausdrücken, denn während der Wahrheitswert einer Aussage punktuell nur extensional zu bestimmen war (Erfüllbarkeit), hängen die Mengen extensionaler Interpretationen notwendig von der Intension des Ausdrucks ab, da nur über die Intension entscheidbar ist, welcher Wahrheitswert dem Ausdruck in allen Zustandsbeschreibungen zukommt. Innerhalb formal extensionaler Konstruktionen ist damit nicht nur ein konsistenter Aufbau des Intensionsbegriffes erreichbar, tiefergehend relativiert sich damit auch die Fregesche Dichotomie von Sinn und Bedeutung, und es mag den Anschein nehmen, als bezöge die intensionale Semantik die vermißten subjektiven Aspekte in den Kalkül mit ein, für den nun ein wesentliches Obstakel der klassischen Logik hinfällig wird: die indirekte Rede. [34] Denn dem in modalen Logiken als syntaktischen Systemen virulenten Problem der Formel "... notwendig/möglich/unmöglich, daß x.", setzt die Möglichen-Welten-Semantik die Kündigung der alten Frege-Russellschen Namenstheorie entgegen: Namen werden nicht mehr als Abkürzungen für Beschreibungen erfaßt, sondern fungieren als Individuenkonstanten mit fester Identität, unterminieren somit das Leibniz-Prinzip, demzufolge identische Gegenstände alle Eigenschaften gemeinsam haben, und an die Stelle dieser merkmalsadditiven (Klassen)Identität tritt nunmehr die am Essentialismus orientierte cross-world-identity. [35]

Ganz abgesehen von der damit implizierten Re-Metaphysikalisierung der Logik - denn der Begriff der möglichen Welten, d.h. die Bereitschaft, von Entitäten zu sprechen, deren Seinsgrund nicht im empirischen Hier und Jetzt liegt, eröffnet einen ontologisch-metaphysischen Diskurs in der nicht-klassischen Logik - und abgesehen auch davon, wie sich die nicht-klassische Logik selbst hierzu stellt, [36] in jedem Fall willigt sie in den philosophischen Grundentscheid ein, "that logic, so to speak, has a wider reach than truth", [37] daß also Logik materialiter umfassender gedacht wird, als die von jedem Inhalt abstrahierende reine Logik es reklamiert. Und wenn weitergehend die intensionale Semantik die inhaltlichen, materialen Aspekte ganz in die Form zu integrieren sucht, dann setzt sie immerhin einen Fuß auf den von Günther eingeschlagenen Weg, denn der Intensionsbegriff selbst soll in die alte, extensionale Form eingebunden werden, um die ehedem unhintergehbare Dichotomie von Intension und Extension zu dekomponieren. Und wenn schließlich Hintikka beklagt, that "[t]he meaning of 'knowing that one knows' is not clear", [38] dann markiert dies auch von Seiten der nicht-klassischen Logik deutlich das Defizit, das die klassische Logik hinterläßt, die sich mit dem Verdikt über die propositional attitudes (daß-Konstruktionen) von vornherein den Blick auf die Satz-Subjekte verstellt.

Werden in intensionalen Kontexten dagegen modale Operatoren über die rein alethischen Modalitäten ("möglich", "notwendig", "unmöglich") hinaus interpretierbar, so verstärkt sich der Eindruck, als nähere sich die intensionale Semantik den von Husserl und Günther eingeforderten subjektiven Aspekten. Nicht so sehr die deontischen Modalitäten ("geboten", "erlaubt", "gleichgültig", "verboten"), als vielmehr die epistemischen deuten eine Subjektivierung an, denn "a weiß, daß x.", "a glaubt, daß x." bettet die Proposition in Kontexte ein, die sich sinnvoll nur in Bezug auf ein Subjekt äußern lassen. Gerade weil die Perforation der angestammten Grenze zwischen Intension und Extension die Unterscheidung von Pragmatik und Semantik partiell verwischt, kann diese bereichsweise Überlappung als methodologische Ausdehnung der Logik auf das bis dahin vernachlässigte Verhältnis von Satz und Sprecher, von Urteil und Urteilssubjekt gelesen werden. Eine Ausdehnung, die schließlich von der Montague-Grammatik definitiv zum Programm erhoben wird, wenn dieses wohl eindrucksvollste Unternehmen der intensionalen Logik ansetzt, auch die kontextuell bedingte Bedeutungsvarianz, also die Abhängigkeit von Zeit- und Ortsdeixis einerseits sowie von Personalpronomina und Indexausdrücken andererseits, innerhalb der um eine Semantik erweiterten generativen Grammatik (Chomskys) als Universalgrammatik handhaben zu können. [39] Hier dann scheint nicht nur das in der Logik stillschweigend mitlaufende Übersetzungsproblem von formaler und natürlicher Sprache gelöst, es scheint auch vieles darauf hinzudeuten, als stünde der Logik endlich das ersehnte Rüstzeug bereit, mit dem sie das Medium des Denkens, die Sprache, vollständig abbilden könnte. [40]

Universalgrammatik - das instrumentelle Medium der Cartesianisch-Leibnizschen Einheitswissenschaft rückt in greifbare Nähe und nährt die Hoffnung, einen Beschreibungsraum eröffnet zu haben, dessen Totalität weit genug ist, auch noch die Beschreibungsorgane, die sprechenden Subjekte, in den Kalkül einzubinden. Wenn die Grenze zwischen formaler und natürlicher Sprache überwunden wird, dann steht zu erwarten, daß die Aufhebung der Übersetzungsnotwendigkeit den Übersetzer selbst als seine je schon geleistete Arbeit, als das Maximum seiner Versprachlichungspotenz in den Formalismus integriert. Mit einem gewissen Recht also kann die intensionale Logik beanspruchen, dem Subjekt des Urteils die Anbindung an sein Urteil zurückerstattet zu haben, und es mutet an, als wäre dem Einspruch Günthers/Husserls Rechnung getragen, als hätte sich die Logik aus der kritisierten Objekt-Logik zu einer umfassenderen Subjekt-Logik voranentwickelt.

Aber - und natürlich schreiben wir auf dieses "aber" hin - aber gerade an der Stelle, an der die intensionale Semantik zu ihrer Hochform findet, an der sie sich anschickt, in einem universalen Formalismus die Sprache sowohl zu desambiguieren, als auch, im Zuge der Einbindung des Intensions-Begriffs, die Sinnanalyse von (starren) Designatoren, Prädikaten und Sätzen als formal exakte, extensionale Explikation erstmals im Kalkül zu verankern, genau hier also, wo die Idee der characteristica universalis zu sich kommen könnte, können wir die grundsätzlichen Unterschiede zu dem Ansatz Günthers deutlich erkennen. Selbst unter der wohlwollenden Voraussetzung, daß die hier noch bestehenden technischen Probleme sich bewältigen lassen, intensionale Semantik und Universalgrammatik führen eine von Günther kategorisch verschiedene Tradition zu ihrer potentiellen Vollendung, deren frühe Wegmarken sich verkürzt mit den Namen Leibniz, Boole, Frege, Tarski skizzieren läßt. Es geht um eine sukzessive Perfektionierung des Regelwerkes dessen, was intersubjektive Kommunikation im allgemeinen und wissenschaftliche Rationalität im besonderen gewährleistet, die Logik fungiert als korrektives Organon und als selektives Medium, in dem und mit dem allein sich viabel operieren läßt. Th. Seebohm spricht prägnant vom epistemischen Programm der Logik, [41] an dessen Ende sich folgerichtig Logik in Philosophie selbst verwandelt, wenn alles, was konsistent formulierbar ist, formalisierbar zu sein hat. Ein Programm also, hinter dem wir unschwer den Ruf Leibniz' vernehmen, mit dem er die streitenden Philosophen ad abacos bittet, an die letztgültigen, weil objektive Klärung schaffenden Rechentische. Wenn die nicht-klassische Logik zu der Einsicht kommt, daß die Möglichkeiten solcher Klärungen sich mit der Inblicknahme der inhaltlichen, sinnanalytischen Aspekte noch maximieren können, dann setzt sie mit dieser subtilen Binnenerweiterung nur konsequent auf der intensional-materialen Ebene fort, was zuvor auf einen rein extensional-formalen Rahmen beschränkt war. Hier erwächst sicherlich ein besseres Werkzeug, das Fassungsvermögen der Rechentische wächst dramatisch - doch der damit geheiligte Zweck bleibt unberührt, "ubi ratiocinatio omnis in usu characterum consistit et idem est error animi qui calculi." [42]

Jenseits von innen und außen: Dekonstruktion statt Kompensation.

Es ist sein vor-kantisches Erbe, das die Universalität des avisierten universalen Formalismus bereits ab ovo in die Schranken einer positivistischen, bestenfalls rationalistischen Limitation verweist, und die Zuversicht, mit der die nicht-klassische Logik und Semantik sich am Ziel ihrer Bemühungen glaubt, kann als die tiefe Perspektivverengung gesehen werden, mit der sich das epistemische Programm weigert, zur Kenntnis zu nehmen, daß "[i]n unserem theoretischen Denken [...] zwei logisch streng zu unterscheidende Strukturschichten vorhanden [sind]. Nämlich erstens die begriffliche Intention auf den Denkgegenstand, die jene Seite an ihm zu begreifen sucht, die wir als Fremdheit, als Andersheit, kurz als echte Objektivität, oder absolute Transzendenz denken und zweitens jene logische Intention, in der wir den Denkgegenstand als unseren wissen, in der wir mithin ihn als Nicht-Objektivität, als identisch mit der innerlichsten Tiefe unseres eigenen denkenden Ichs, kurz als echte Subjektivität verstehen wollen." [43]

Das Denken des Dings ist etwas anderes als das Denken dieses Denkens, und der Gegenstand einer Logik des Denkens unterscheidet sich fundamental von den Gegenständen einer Logik, in der dieses Denken selbst zum Thema des Denkens gerät - dies ist die grundlegende Einsicht Günthers, und dies auch ist die von allem Anfang divergierende Motivation seiner Logik-Konzeption. Hier geht es dann wahrhaft um logisches Neuland, denn am Beginn bereits erkennt Günther das Fassungsvermögen der traditionellen Logik mit diesem Anspruch als notwendig überschritten; seine Differenzierung/Entgrenzung in die Doppelthematik einer Logik des (objektiven) Seins und einer Logik des (subjektiven) Sinns kann mit der darin angelegten Überdetermination - ein und dasselbe Datum erscheint zugleich als gedachtes (Inhalt) und als prozessuales Denken dieses Datums (Form) - von einem dualistisch konzipierten Form-Inhalt-Schema nicht mehr eingefangen werden. Hier dann gründet sich das "trans" als legitime Präfigierung, denn anders als alle klassischen und nicht-klassischen Ansätze, konfrontiert Günther die Logik erstmals mit der reflexionslogisch unabweisbaren Notwendigkeit von Zirkularität, Selbstreflexivität, Selbstreferentialität; mit jenen Figuren also, denen die Logik im Rahmen ihres Formkonzeptes überlebensnotwendig fliehen mußte - zum Preis allerdings der oben beschriebenen Reduktion auf das epistemische Programm. Und hier schließlich verabschiedet sich Günther auch von Husserl, dessen kritische Bestandsaufnahme einer Logik des Objekts sicherlich konkludent zu Günther ausfällt, dessen positiver Gegenentwurf allerdings Subjektivität in die Logik als konstituierenden Vollzug des erkennend-urteilenden Bewußtseins einzubinden sucht. [44] Eine Subjektivierung diesen Zuschnitts aber invertiert die überkommene Logik allein, wiederholt die relationale Objektivierung als internale Konstitutionsleistung des Subjekts, das als solches auch hier nicht erscheint, sondern zurücktritt hinter eine dem Ursprungsdenken verpflichtete Letztbegründungs- und Reduktionsanalyse des prädikativen Urteils.

Erkenntnisbegründung aber ist Günthers Sache nicht, ihm geht es um den formalen Repräsentationsraum, in dem sich konsistent und antinomienfrei, nicht von der subjektimmanenten Wiederholung der Erkenntnisleistung, sondern von der subjektiven Thematisierung/Objektivation des formalen, abstraktiven, logischen Denkens selbst sprechen läßt. Zirkularität und Selbstreflexivität, die deutsch-idealistischen Sprengsätze, mit denen das Bewußtsein in infiniten Regressen zwanghaft ein unglückliches werden mußte - Günther schickt sich an, sie in die Logik zu integrieren, die erst so den Namen einer vollgültigen Theorie des Denkens verdient. Daß dies nicht wenig ist, bezeugt das Anforderungsprofil dieser Logik: "1. Sie muß die zwei inversen Themata als entgegengesetzte oder unmittelbare enthalten. 2. Sie muß dieselben als vermittelte enthalten. 3. Sie muß die Einheit jener Themata als entgegengesetzter und vermittelter sein." [45] "In anderen Worten: in jeder Reflexion auf die Reflexion muß der Gegenstand der ersten Reflexion mit eingeschlossen sein." [46] Ein Einschluß, der notwendig Verwandlung bedeutet, denn der Gegenstand der objektivistischen Reflexion erster Stufe wird für die zweite Reflexion als je schon reflektierter bereits durchdrungen sein von der begrifflichen, Hegelsch gesprochen: der setzenden, negierenden Leistung des Subjekts; er wird als formierter Inhalt erscheinen, und die Reflexion auf die Reflexion befaßt so als ihr Objekt die eigentliche Leistung ihrer selbst.

Der subjektive Reflexionsprozeß selbst soll Objekt der Reflexion werden; ist diese contradictio in adjieto bereits schwer zu fassen, so erhöht sich die Komplizität, wenn Günther das Zusammenspiel der beiden Reflexionsreihen nach dem Bild konzentrischer Kreise entwirft, "weil die subjektivistische Thematik ja keinen einfachen Gegensatz zur objektivistischen Thematik bildet, sondern als Methode beide Thematiken als Inhalt umgreift." [47] Dieser zweiten Reflexionsreihe eine eigene und vermittelte Logik zu gründen, führt dann zwangsläufig aus allem klassischen Denken heraus, hier werden die grundlegenden Oppositionen der Metaphysik endgültig überbordet; als Form für (Form-Inhalt) korrespondiert der bedurften und inaugurierten neuen Form kein homogener und substantiell verfaßter Objektbereich, sie referiert auf eine hylemorphe Doublette, aber nicht ihrer (aristotelisch) objektiv-ontologischen Struktur nach, sondern als je vom Subjekt begrifflich gestalteter Stoff der Abstraktion. Weil aber die Reflexion hier nicht länger auf einfache Objekte stößt, weil vielmehr dem Denken der Bezug auf den Prozeß der Objektivation selbst eröffnet wird, findet das Denken aus der schlechten Unendlichkeit der iterativen, potentiell unendlichen Reflexionsbreite in die aktual unendliche, umfangsdefinite Unendlichkeit der Reflexionstiefe. Denn mit dem "Gedanken der unendlichen Iterationsfähigkeit des reflektierten Bewußtseins haben wir uns [...] bereits über die infinite Reihe der [...] Reflexionen erhoben und sie zum 'Gegenstand' einer Reflexion gemacht, die per definitionem dieser Reihe selbst nicht angehören kann. Der Inhalt dieser neuen Reflexion ist also die Idee der Totalität der infiniten Folge der Iterationen (und nicht selbst eine Iteration, auf die andere folgen könnten.) [...] In dieser Idee der Totalität der introszendenten Unendlichkeit einer vor jedem Zugriff in immer tiefere Schichten der Reflexion zurückweichenden Subjektivität reflektiert das Selbstbewußtsein auf sich selbst und definiert so das Ich als totale Selbstreflexion." [48]

Es ist gewiß einer der schwierigen Texte Günthers, ganz ohne Zweifel jedoch einer, der sein lebenslanges Plädoyer für die wechselseitige Fundierung und Entgrenzung von Metaphysik und formalem Denken in besonderem Maße dokumentiert, wenn die Cantorsche Idee der transfiniten Kardinalzahl ihre überraschende Applikation auf die Hegelsche Reflexionslogik erfährt. Es gibt mathematisch-logische Schablonen, in die das opake Denken Hegels zu gießen ist, auch wenn die Kernfrage nach der hierfür notwendigen Form damit noch nicht beantwortet ist. Hier vielmehr gründet sich zunächst der poly-loge System-Korpus, der die Hegelsche Reflexions-Triade in die vermittelte Distinktion der Stellenwertlogik, später dann in die Proemialität diskontexturierter polykontexturaler Logik überführt, [49] der somit den mechanischen Grund legt für einen reibungslosen und postgödelschen Kalkül der Selbstreferentialität. Der entscheidende Schritt aber, der den Kalkül für Selbstreferentialität in einen selbstreferentiellen Kalkül [50] transformieren könnte, ist damit noch nicht beschritten, hängt er wesentlich an der Dekonstruktion des Subjekt- und Formbegriffs.

Wenn Subjektivität erst die Er-gebnis (Heidegger) eines universalen Strukturprozesses ist (Reflexion), wenn also die Bedingung der Möglichkeit für Selbstbewußtsein nicht im egologischen Subjekt liegt, sondern das Subjekt nur eine Konkretion/Komplexion dieses Prozesses ist, dann macht Günther mit dieser anfänglich an Hegel gewonnenen Einsicht radikal Ernst, wenn er diese - ihm schließlich von der second order cybernetics und Theorie Autopoietischer Systeme bestätigte - Gewißheit in die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit für selbstbezügliche Formbildung überhaupt, d.h. für Selbstreflexion und damit für Subjektivität überführt. Das Ziel also ist der simultane ontologische und logische Schritt in einen formalen, exakten Signifizierungsraum, in dem die Bewegung eingeschrieben werden könnte, die "die Bewegung des Sichselbstsetzens oder die Vermittlung des Sichanderwerdens mit sich selbst ist.", [51] und zwar so, daß diese Bewegung als echte Selbstbewegung von jedem Gesetzsein wie von jeder Heterologie befreit zu sein hätte.

Die hier intendierte Selbstreferentialität wäre damit fundamental geschieden nicht nur von den Rückbezüglichkeiten der Mögliche-Welten-Semantik, der Günthersche Kalkül emanzipierte sich auch anders als der calculus of indication Spencer Browns und anders auch als Varelas calculus for selfreference vom Operator der Kalküle selbst, an den nicht länger die Aufforderung des draw a distinstion als urinitialer Anfang des Kalküls ergehen darf. [52] Vielmehr hätte sich hier, wo keine von außen gesetzte Unterscheidung/Bezeichnung in den Kalkül eingreift, ein Zeichenspiel zu eröffnen, in dem nicht nur das identitätstheoretisch schon problematische "reine Selbsterkennen im absoluten Anderssein" [53] sich ereignen könnte, in dem dies darüber hinaus noch in dezidierter Unabhängigkeit vom Subjekt der Logik eben als das tatsächliche Sichselbstsetzen zu geschehen hätte. Der Prozeß wäre dann ein reziproker: in dem Maße, in dem das Subjekt die Hoheit abtritt am logischen Prozeß der Selbstverweisung, erwächst dem Subjekt der Kalkül, der die Selbstbezüglichkeit in der notwendigen Reinheit generiert, die dem Subjekt zu allererst die zeichen- und formtheoretischen Instrumente und die metaphysisch-ontologischen Realitäten offeriert, in denen er das kohärente Bild seiner selbst zeichnen kann; [54] erst wenn der Kalkül als an sich selbstreferentieller Kalkül die Bedingung der Möglichkeit zur Selbstbezüglichkeit als seine eigene Wirklichkeit verwirklicht, besitzt das Logik treibende Subjekt den Form- und Formulierungsrahmen, in dem das nicht-verobjetivierende Bild seiner selbst Gestalt annehmen kann.

Die Frage aber bleibt: Wo findet sich die Form, die solches zu leisten im Stande wäre? Wie ist eine Form vorzustellen, die keinen positiven Inhalt mehr von sich unterschiedet? Was beinhalten die Zeichen einer solchen Formalisierung, deren Verweischarakter nicht länger über sie hinaus zeigen darf? Was bedeutet eine Zeichenkonzeption, die keine Anzeigefunktion mehr kennt, die auf etwas verwiese, was nicht immer schon sie selbst wäre, die also das Andere nur insofern kennt und nennt, wie sie sich selbst bezeichnet, und die sich selbst nur bezeichnet, wenn sie das Andere bezeichnet, das doch nicht von ihr geschieden ist?

Daß eine Ontologie, die atomistisch vom positiven Seienden her denkt, hier überfordert ist, ist evident, [55] und Spencer Brown weist bereits den Weg, den zu Ende zu gehen er sich scheut: es geht um Differenzen, hier ist er sich fundamental einig mit dem Strukturalismus, und einmütig offenbaren beide ihre tiefe Verwurzelung in Identitätstheorie und Ontologie, wenn sie die Dinge und die Differenz in einem Umtauschverhältnis belassen: Jede distinction vollzieht eine indication bei dem einen, und bei den anderen entstehen der Sinn und die Dinge aus dem oppositionellen Geschehen der Distinguierung. So geraten die Bedingungen des Sinns zu postumen Erklärungen seines Funktionierens, und die Gesetze der Form gerinnen zu einem Handbuch für Beobachter. Von den Bedingungen der Möglichkeit der Opposition/Unterscheidung aber ist nicht die Rede, und kann auch nicht, denn die Genese der Differenz weigert sich, positiv signifiziert zu werden, die Differenz will nicht länger Einzuschreibende und Eingeschriebene sein, sondern generiert sich in der letztmöglichen Radikalität des Selbst als die infinitive Einschreibung der Differenz, als von die der Differenz prozessierte Differenzierung. [56]

Hier läßt sich nichts Substantielles mehr denken, das Denken dieser Selbstunterscheidung ist ebenso deontologisiert wie notwendig prozessualisiert, denn die Differenz ergibt sich nur im Vollzug der Differenzierung, in der Dialektik von Unterschiedenem und Unterscheidung (Resultat und Prozeß). Différance nennt Derrida das raum-zeittranszendente Geschehen, das der Verraumung und Verzeitung je und jäh vorangeht, und das getrennt und doch zugleich den Prozeß der Unterscheidung und ihr Produkt vereint. [57] Und weil dieses Geschehen als der undenkbare Grund der Positivität sich der Sprache der Metaphysik, die immer die unsere ist, entzieht, gibt Derrida ihm die schwachen Namen der Spur und der archiécriture. Sie deuten sich an als die Selbstverbergung ihres Denotats, und wir bekommen eine Ahnung davon, in welche Abgründe sich Günther wagt, wenn er dieses Geschehen, das von keinem Ontischen getrübte Ereignis (Heideggers), noch in einen Kalkül zu bringen sucht, dessen Operabilität den endgültigen Rationalitätsbeweis Derridistischer Dekonstruktion erbringt. [58] Morphogrammatik und Kenogrammatik stehen hier als Inskriptions-Mittel bereit, und die differenzlogischen Engramme dieser Negativsprachen verwandeln die Rede über das Subjekt in der Logik: Jetzt weiß es, daß das positive Bild seiner selbst sich nur ablesen läßt, wenn es zuvor den Abschied aus der privilegierten Position der Beobachtung nimmt, wenn die Reinheit der Formalität, mit der die Logik ihre Universalität begründet, ihre letztmögliche Reinheit gewinnt, daß die als Vermögen, dynamis, konzipierte Form des Denkens nun als energeia, actus, als realer Vollzug des Denkens thematisiert werden kann. [59] Die Trennung des Urteilens von dem worüber geurteilt wird, erscheint unumgänglich, hieß es bei Frege, und wir können mit Günther nun entgegnen, daß das prozessierende Subjekt der Logik selbst seine objektive Gestalt, die seine Subjektivität nicht unterminiert, nur annehmen kann, wenn die Bedingungen der Möglichkeit des Urteilens als die meontischen Bedingungen der Möglichkeit von Selbstreferenz erfaßt werden, deren topologische Distribution und Vermittlung im polykontexturalen Verbund der logischen Orte sicher kein statisches Subjekt, gewiß aber dynamisierte Subjektivität emergiert. Damit aber erst wäre die Logik als Theorie des Denkens universal, und dies in einer ungeahnten Universalität, die nicht nur die Ränder des Alls abtastet, die vielmehr auch die Nullpunkte der logischen Koordinatensysteme, die Subjekte erfaßt, indem sie diese selbst noch verflüssigt, auflöst und als selbstrückbezügliche Prozesse in den sich selbst beobachtenden, unterscheidenden und genierenden Kalkül integriert: als eine Subjektivität, deren metexis dem Universum nicht länger blinde Flecke beschert, weil sie sich einschmiegt in das und als das, woraus sie je hervorgeht - Dialektik.


Footnotes

[1] 1913 erscheint mit den Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie das Gründungs-Manifest der neuen Art philosophischen Fragen, die zunächst die rein logischen Motive Husserls in den Schatten stellt. 1929 allerdings amalgamiert sich Phänomenologie und Logik in der Formalen und transzendentalen Logik zu dem theoretisch-postulativen Entwurf der transzendental-phänomenologischen Logik im Sinne einer egologisch letztbegründenden, universalen Wissenschaft von Sinn und Sein, die das kalkültechnisch-formale Element einer operablen Implementierung der prätendierten Subjektivität jedoch schuldig bleibt.

[2] Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. B 76f.

[3] Gottlob Frege: Funktion und Begriff. In: ders. Kleinere Schriften. Hrsg. v. Ignacio Angelelli. Hildesheim: Olms, 1967, S. 125-42, hier S. 134.

[4] Vgl. a. a. O., S. 140.

[5] Gottlob Frege: Was ist eine Funktion. In: ders. Kleinere Schriften. S. 273-80, hier S. 278.

[6] Frege: Funktion und Begriff. S. 128.

[7] A. a. O., S. 136.

[8] Aristoteles: De anima. III 8, 431b 29.

[9] Vgl. Jacques Derrida: Positionen. Hrsg. v. Peter Engelmann. Wien: Passagen, 1986, S. 87f.

[10] Friedrich Kaulbach: Subjektlogik und Prädikatlogik. In: Vernünftiges Denken. Studien zur praktischen Philosophie und Wissenschaftstheorie. Hrsg. v. Jürgen Mittelstrass, Manfred Riedel. Berlin u. New York: de Gruyter, 1978, S. 23-51, hier S. 36. Kaulbach bietet eine schöne Darstellung der Verschiebung syntagmatischer Valenzen vom Subjekt zum Prädikat; die von ihm als solche beschriebene Subjekt-Logik jedoch zählt mit ihrer Prononcierung auf dem Satz-Subjekt je schon zur klassischen Logik, steht somit insgesamt als Logik des Objekts/der Objektivität jenseits des hier intendierten Begriffs einer Subjektivierung der Logik im Sinn der Einschreibung von Subjektivität in die Logik.

[11] Heinrich Scholz: Abriß der Geschichte der Logik. Freiburg u. München: Alber, 1931, S. 48.

[12] A. a. O., S. 51.

[13] Günther Jacoby: Die Ansprüche der Logistiker auf die Logik und ihre Geschichtsschreibung. Stuttgart: Kohlhammer, 1962, S. 6. Für das Standrecht der formalen Logik gegen die mathematische Logik streiten neben Jacoby auch Wolfgang Albrecht (Die Logik der Logistik. Berlin: Dunker & Humblot, 1954) und Bruno von Freytag Löringhoff (Logik. Ihr System und ihr Verhältnis zur Logistik. Stuttgart: Kohlhammer, 1955). Der kämpferische Text Jacobys bildet gewissermaßen den Schlußpunkt einer Diskussion, die 1950 auf dem Dritten Deutschen Kongreß für Philosophie in Bremen offen aufbricht und ein Jahr später auf der Jenaer Philosophischen Konferenz über Fragen der Logik ihre Fortsetzung findet. Vgl. Symphilosophein. Bericht über den Dritten Deutschen Kongreß für Philosophie. Bremen 1950. Hrsg. v. Helmuth Plessner. München: Lehnen, 1952. S. 161-203.

[14] Edmund Husserl: Erste Philosophie. Erster Teil. Kritische Ideengeschichte. Hrsg. v. Rudolf Boehm. Den Haag: Nejhoff, 1956, (= Husserliana VII), S. 28. Hervhbg. orig.

[15] Edmund Husserl: Logische Untersuchungen. Erster Band. Prolegomena zur reinen Logik. Tübingen: Niemeyer, 21913, S. 68, 77.

[16] Vgl. a. a. O., S. 100f.

[17] A. a. O., S. 111.

[18] Gottlob Frege: Grundgesetze der Arithmetik. Begriffsschriftlich abgeleitet. Bd. I/II. (Reprograph. Nachdruck) Hildesheim: Olms, 1962/1966, S. XXV.

[19] Husserl: Erste Philosophie. I. S. 44.

[20] A. a. O., S. 44f. Hervhbg. orig.

[21] Vgl. Edmund Husserl: Logische Untersuchungen. Zweiter Band, Teil I. Untersuchungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis. Tübingen: Niemeyer, 31922, S. 294f, 305-12, 316-21, 326-42.

[22] Vgl. Kazimierz Adjukiewicz: Die syntaktische Konnexität. In: Logischer Rationalismus. Philosophische Schriften der Lemberg-Warschauer Schule. Hrsg. v. David Pearce, Jan Wolenski. Frankfurt/M.: Athenäum, 1988, S. 207-26, hier S. 207f.

[23] Vgl. Alfred Tarski: Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen. In: Logik-Texte. Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik. Hrsg. v. Karel Berka, Lothar Kreiser Berlin: Akademie-Verlag, 1971, S. 447-559, hier S. 505-10. Den generellen Einfluß Husserls auf die polnische Logik vgl. Tadeusz Kotarbinski: Grundlinien und Tendenzen der Philosophie in Polen. In: Logischer Rationalismus. S. 21-29, S. 24. Die Parallele von Apophantik und Wahrheitslogik bei Husserl zur logischen Syntax und Semantik zieht Guillermo E. R. Haddock: Edmund Husserls Philosophie der Logik und Mathematik im Lichte der gegenwärtigen Logik und Grundlagenforschung. Bonn (Diss.), 1973, S. 73f (Syntax), 84 (Semantik).

[24] Wolfgang Stegmüller: Das Wahrheitsproblem und die Idee der Semantik. Eine Einführung in die Theorien von A. Tarski und R. Carnap. Berlin u. New York: Springer, 21968, S. 247. Hervhbg. orig.

[25] Die Skizze dieses Umwegs kann beginnen mit Heinrich Scholz, der darauf hinweist, daß die Grund-Sätze der Logik (Identität, Widerspruchsverbot, tertium non datur) zunächst keine logischen Sätze seien, sondern Sätze der Aristotelischen Ontologie, d.h. Sätze, mit denen Aussagen über Individuen getroffen werden. ("Es gibt kein Individuum, dem eine Eigenschaft zukommt und nicht zukommt." Vgl. Heinrich Scholz: Metaphysik als strenge Wissenschaft. Darmstadt: WBG, 1965 (reprogr. Nachdruck v. 1941), S. 146f.) Wenn nun die post-Aristotelische Tradition Logik und Ontologie auseinanderdividiert, so verdrängt sie die eigene Ausgangsbasis, übermantelt ihr Wissen, daß beider Form a priori den objektivierenden Sätzen über Seiendes/Objekte unterworfen ist; nimmt schließlich die kritizistische Wende Kants eben diesen Formal-Apparat auf, indem sie ihn für die Frage nach den Erscheinungsformen der Dinge/Phänome in der Reflexion nutzbar zu machen sucht, so hat die transzendentale Logik die formal-ontologische Präsupposition, nämlich Satz-Form für Seiendes/Objektivität zu sein, je schon internalisiert. Das Denken des Seienden aber, der Prozeß der Reflexion, der subjektive Anteil am Urteil besitzt damit per se keine differentielle, eigene Form, die seine subjektive Qualität gegenüber den Aussagen über die Welt unterscheiden und bewahren könnte und entzieht sich folgerichtig der positiven Designation. Übrig bleibt nur "die einfache und für sich selbst an Inhalt gänzlich leere Vorstellung: Ich, von der nicht einmal mehr gesagt werden kann, daß sie ein Begriff sei, sondern ein bloßes Bewußtsein, das alle Begriffe begleitet.", jenseits jeder materialen Konkretion verkümmert das Subjekt zur regulativen Idee, die "die Idee Ich denke hervorbringt, die alle anderen muß begleiten können." Kant: KrV. A 345f, B 404; B 132. Hervhbg. orig.

[26] Gotthard Günther: Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik. Die Idee und ihre philosophischen Voraussetzungen. 2., durchges. u. erw. Aufl., Hamburg: Meiner, 1978, S. 80.

[27] Gotthard Günther: Die Theorie der 'mehrwertigen' Logik. In: G.G.: Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik. Bd. II, Hamburg: Meiner, 1979, S. 181-202, hier S. 184.

[28] Vgl. Gotthard Günther: Grundzüge einer neuen Theorie des Denkens in Hegels Logik. Hamburg: Meiner: 21978, S. 22 (Fußnote), 203, 212.

[29] Vgl. Gotthard Günther: Logistischer Grundriß und Intro-Semantik. In. G.G.: Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik. Bd. II, S. 1-115, hier S. 7.

[30] Über den biographisch wie theoretisch kaum zu überschätzenden Stellenwert der Kybernetik gibt Günther selbst hinreichend Auskunft in seiner äußerst lesenswerten Retrospektive: G.G.: Selbstdarstellung im Spiegel Amerikas. In: Philosophie in Selbstdarstellungen. Bd. II. Mit Beiträgen von G. Günther et al. Hrsg. v. Ludwig J. Pongratz. Hamburg: Meiner, 1975, S. 1-74. Für den schnellen Überblick sei die getreue Nacherzählung dieses Günther-Textes empfohlen, vgl. Arno Bammé: Entfesselte Logik. Gotthard Günther: Ein Leben zwischen den Welten. In: Gotthard Günther - Technik, Logik, Technologie. Hrsg. v. Ernst Kotzmann. München u. Wien: Profil, 1994, S. 11-31

[31] In Abgrenzung zur wahrheitswerttheoretischen, extensionalen Logik/Semantik wird die intensionale Logik/Semantik auch als nicht-klassische Logik/Semantik bezeichnet. Die von Günther her zu ziehende Grenze klassisch - transklassisch wird dabei jedoch nicht überschritten. Hilfreiche Darstellungen hierzu: Franz von Kutschera: Einführung in die intensionale Semantik. Berlin u. New York: de Gruyter, 1976; Thomas M. Seebohm: Philosophie der Logik. Freiburg u. München: Alber, 1984, S. 184-244.

[32] Saul A. Kripke: A Completeness Theorem in Modal Logic. The Journal of Symbolic Logic. 24, 1959, S. 1-14. ders.: Semantical Analysis of Modal Logic I. Normal Modal Propositional Calculi. Zeitschrift für mathematische Logik und Grundlagen der Mathematik. 9, 1963, S. 67-96.

[33] Vgl. Rudolf Carnap: Bedeutung und Notwendigkeit. Eine Studie zur Semantik und modalen Logik. Wien u. New York: Springer, 1972, S. 11-16.

[34] Solange modale Logiken als syntaktische Systeme ohne eine semantische Einbettung stehen, lassen sich vom Standpunkt der extensionalen Logik schwere referenztheoretische Einwände erheben, die sich gegen den fragwürdigen Bezug und ungeklärten ontologischen Status der in modalen Systemen ohne Anführungszeichen im Wirkungsbereich eines modalen Operators auftretenden Designatoren richten, da die manipulierte Notwendigkeit/Möglichkeit nicht auf die Erfüllung der Bedingungen durch die ausgesagten Gegenstände zurückgeführt werden kann; das Problem ist die Existenz und Indentität, sprich: die ungeklärte Referenz der Objekte einer modalen Aussage. In diesem Sinn attackiert Quine die syntaktischen Modallogiken mit dem Argument, der Schritt von "x" zu "..., daß x" verschleiere das Designatum, da nun nicht mehr referentiell eindeutig über die Welt gesprochen werde, sondern (selbstreferentiell) über Sätze über die Welt; der Gegenstandsbezug von "..., daß x" sei somit unklar. Sind modallogische Aussagen für Quine nicht-referentielle Aussagen, dann wird ihre Quantifizierung in die gleichen Schwierigkeiten verwickeln, die generell die Quantifizierung nicht-referentieller Ausdrücke beinhaltet. Ist aber die Quantifikation von modalen Kontexten nicht ausweisbar, dann wird das referenztheoretisch schon fragwürdige Programm der Modallogik auf der Ebene der Prädikatenlogik hinfällig. Vgl. Willard van Orman Quine: The Problem of Interpreting Modal Logic. The Journal of Symbolic Logic. 12, 1947, S. 43-48.; ders.: Referenz und Modalität. In: W.v.O. Q.: Von einem logischen Standpunkt. Neun logisch-philosophische Essays. Frankfurt/M. u. Berlin: Ullstein, 1979, S. 133-52.

[35] Ein singulärer Ausdruck also "really specifies a well-defined individual and therefore qualifies as an admissible substitution-value of the bound variables" unter der Bedingung, "if it refers to one and the same individual not only in the actual world [...] but also in the alternative worlds which could have been realized instead of it; in other words, if and only if there is an individual to which it refers in all alternative worlds as well. But referring to it in all these alternatives means referring to it necessarily." Jaakko Hintikka: The Modes of Modality. In: J. H.: Models for Modalities. Selected Essays. Dordrecht: Reidel, 1969, S. 71-86, hier S. 78. Hervhbg. orig.

[36] David K. Lewis (Counterfactuals. Oxford: Blackwell, 1973), anfänglich auch Hintikka (Semantics for Propositinal Attitudes. In: J.H.: Models for Modalities. S. 87-111), plädieren imGegensatz zu Kripke (Name und Notwendigkeit. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1981) für eine realistische, objektive Auffassung der möglichen Welten. Später sagt sich auch Hintikka dezidiert von Leibniz und Carnap los und zieht es vor, von möglichen Szenarien, Situationen zu sprechen. Vgl. Jaakko Hintikka: Situations, Possible Worlds, and Attidutes. In: J.H., Merrill B. Hintikka: The Logic of Epistemology and the Epistemology of Logic. Selected Essays. Dordrecht et al.: Kluver, 1989, S. 205-14.

[37] Georg Henrik von Wright: Logical Studies. London: Routledge & Kegan Paul, 1957, S. VII.

[38] Jaakko Hintikka: Knowledge and Belief. An Introduction into the Logic of the two Notions. Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1962, S. 103.

[39] Vgl. Richard Montague: Formal Philosophy. Selected Papers of Richard Montague. Ed. with an introd. by Richmond H. Thomason. New Haven and London: Yale University Press, 1974. Hier vor allem English as a Formal Language. (S. 187-221); Universal Grammar. (S. 222-246); The Proper Treatment of Quantification in Ordinary English. (S. 247-270).

[40] "There is in my opinion no important theoretical difference between natural languages and the artificial languages of logicians", beginnt Montague die Grundlegung seiner Universal Grammar, die auf 25! Seiten mit einem auch für Fachlogiker schwer nur zu bewältigenden Kalkül den Nachweis antritt, daß es möglich ist, "to comprehend the syntax and semantics of both kinds of languages within a single natural and mathematically precise theory." Richard Montague: Universal Grammar. In: R.M.: Formal Philosophy. S. 222.

[41] Vgl. Seebohm: Philosophie der Logik. S. 9-13.

[42] "[...] wo die Schlußfolgerung vollständig im Gebrauch der Charaktere besteht, und ein Irrtum des Geistes und des Kalküls dasselbe ist." Gottfried Wilhelm Leibniz: Die philosophischen Schriften. Hrsg. v. C. I. Gerhardt. Bd. VII, Hildesheim: Olms, 1961, S. 205.

[43] Günther: Grundzüge. S. 220.

[44] Als prägnante Zusammenfassung sei empfohlen Edmund Husserl: Erfahrung und Urteil. Untersuchungen zur Genealogie der Logik. Red. u. hrsg. v. Ludwig Landgrebe. Hamburg: Meiner 61985, S. 1-72, (Einleitung).

[45] Günther: Grundzüge. S. 204. Hervhbg. orig.

[46] Gotthard Günther: Die Aristotelische Logik des Seins und die nicht-Aristotelische Logik der Reflexion. In: G.G.: Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik. Bd. I, Hamburg: Meiner, 1976, S. 141-188, hier S. 152.

[47] Günther: Grundzüge. S. 209.

[48] Gotthard Günther: Metaphysik. Logik und die Theorie der Reflexion. In: G.G.: Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik. Bd. I, S. 31-74, hier S. 57. Hervhbg. orig.

[49] Die Entwicklung und die systematischen Abgrenzungen von integrierter Stellenwertlogik/Kontextwertlogik und polykontexturaler Logik vgl. Rudolf Kaehr: Disseminatorik. Zur Logik der 'Second Order Cybernetics'. Von den 'Laws of Form' zur Logik der Reflexionsform. In: Kalkül der Form. Hrsg. v. Dirk Baecker. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1993, S. 152-196.

[50] Vgl. Rudolf Kaehr: Kalkül für Selbstreferentialität oder selbstreferentielle Kalküle? In: Radikaler Konstruktivismus. Forschungsbericht 288, FB Informatik. Hrsg. v. Bernd Hellingrath, et al. Uni. Dortmund: Dortmund 1990, S. 15-35.

[51] Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Phänomenologie des Geistes. S. 23. Ed. Moldenhauer/Michel (Suhrkamp)

[52] Vgl. George Spencer Brown: Laws of Form. Toronto et al.: Bantam Books, 1973 .; Francisco J. Varela: A Calculus of Selfreference. International. Journal of General Systems. 2, 1975, S. 5-27. Ein Reflexion über das unreflektierte Apriori des draw a distinction im Spencer-Brown-Kalkül, in: Joachim Castella: Scheidekunst. Gedanken über zeitgenössische Schöpfungsmythologeme. In: Gotthard Günther - Technik, Logik, Technologie. S. 55-79.

[53] Hegel: Phänomenologie des Geistes. S. 29.

[54] Es geht also um die logische Wiederholung der metaphysisch-anthropologischen Dekonstruktion Hegels; eine paradoxe Bewegung, denn sie "markiert gewiß das Ende des Menschen, den vergangenen Menschen, aber zugleich die Erfüllung des Menschen, die Aneignung seines Wesens." Jacques Derrida: Fines Hominis. In: J.D.: Randgänge der Philosophie. Hrsg. v. Peter Engelmann. Wien: Passagen, 1988, S. 119-141, hier S. 129.

[55] Nicht zuletzt, wenn das zoon logon echon aus dem Zentrum heraus rückt, "das Eigentümliche aller Metaphysik" aber darin besteht, "daß sie 'humanistisch' ist." Martin Heidegger: Brief über den 'Humanismus'. In: M.H.: Wegmarken. Frankfurt/M.: Klostermann, 1967, S. 145-194, hier S. 153.

[56] Vgl. Joachim Castella: Das organisierte Selbst. Reflexionslogische Minimalbedingungen selbstbezüglicher Strukturbildung. In: Realitäten und Rationalitäten. Jahrbuch für Selbstorganisation. Hrsg.v. Rudolf Kaehr, Axel Ziemke. Berlin: Duncker & Humblot, 1996, S. 87-109.

[57] Vgl. Jacques Derrida: Die différance. In. J.D.: Randgänge der Philosophie. S. 29-52.

[58] Den Erweis der Operabilität tritt Rudolf Kaehr an: Materialien zur Formalisierung der dialektischen Logik und der Morphogrammatik 1973-1975. In: Gotthard Günther: Idee und Grundriß einer nicht-Aristotelischen Logik. Anhang zur 2. Aufl., Hamburg: Meiner, 1978, 117 S. Wenn die Kritik also vorwurfsvoll fragt, ob "perhaps Kaehr is orientated more towards Derrida's grammatology then Hegel's dialectic", dann offenbart sich der Nexus Hegel - Günther - Derrida als kaum gekannt. A. Griedner: Review of G.G. Idee und Grundriß. History and Philosophy of Logic. Vol. 3/1, 1982, S. 103-105, hier S. 105.

[59] [59] Den großen Altersentwurf hierzu gibt Gotthard Günther mit: Identität, Gegenidentität und Negativsprache. Hegel-Jahrbuch 1979. Hrsg. v. Wilhelm Raimund Beyer. Köln: Pahl-Rugenstein, 1980, S. 22-88.


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