NLP und PKL
ein Interview für MultiMind

mit Klaus Grochowiak und Rudolf Kaehr

1. Was ist unter PKL zu verstehen?

Interviewer: Soweit ich informiert bin, erhebt die Polykontexturale Logik Gotthard Günthers den Anspruch eine neue, nicht-aristotelische Logik zu sein. NLP ist ja auch Alfred Korzybski verpflichtet, etwa in seinem Sprachverständnis. Wer kennt nicht “The map is not the territory.”? Korzybski hat schon sehr früh, die Idee einer `non-aristotelian Logic' entwickelt. Gibt es da Zusammenhänge?

Klaus: Es gibt gewiß Gemeinsamkeiten, wenn auch keine gegenseitige Kenntnisnahme. Beide waren Emigranten in den USA, beide haben an einer non-aristotelischen Logik und Weltauffassung gearbeitet und beide sind nur wenig rezipiert worden. Es muß gesehen werden, daß NLP nur sehr wenig von Korzybski aufgenommen hat. Und dies allein hat schon enorme Folgen gehabt.

Rudolf: Korzybski hat allerdings sein Ziel, eine non-aristotelische Logik zu entwickeln, die sich mit der Operativität der klassischen Logik messen könnte, nicht wirklich verfolgt. Das wiederum war das erklärte Lebensziel des Philosophen und Kybernetikers Gotthard Günther. Seine Polykontexturale Logik (PKL) erhebt nicht nur den Anspruch auf Operativität, sondern ist auch weitgehend formalisiert worden.

Interviewer: Ist das aber nicht doch eher eine Theorie, die in die Mathematik und zur Informatik gehört als in eine so sehr auf Praxis bezogene Therapieform wie es NLP ist? Worum geht es und wozu könnte die Polykontexturale Logik für NLP wichtig sein?

Rudolf: PKL liefert eine radikal neue operationale und daher praxisrelevante Theorie der Subjektivität, die über alle bekannten philosophischen, psychologischen und kybernetischen Ansätze hinausführt. Dies kann hier gewiß nicht ausgeführt werden. Der wichtigste Punkt in unserem Zusammenhang scheint folgender zu sein. Überall geht es um die Rettung von Subjektivität, das Ich soll nicht verdinglicht und manipulierbar gemacht werden, es soll sich entfalten können. Doch fragt man genauer nach und dies ist für eine praxisbezogene Arbeit sehr wichtig, was das Ich, die Subjektivität, die nicht verdinglicht werden soll denn eigentlich sei, dann erhält man Antworten, die nahezu restlos sich in verdinglichenden Beschreibung und emphatischen Erhebungen erschöpfen. Hier kann die Polykontexturalitätstheorie nicht nur Vieles klären, sondern auch eine neue Sichtweise und Theorie anbieten.

“Den Erkennenden kann man nicht erkennen.”?

Die PKL läßt sich direkt als eine transklassische Kommunikationstheorie verstehen. Von allem Anfang an geht es ihr darum, die Kommunikation zwischen Ich, Du und Welt zu explizieren und zu formalisieren.

Die Verdinglichung ist nicht zu vermeiden, wenn zur Bestimmung der Subjektivität die klassische Logik ins Spiel kommt. Und solange wir einigermaßen rational und intersubjektiv verständlich bleiben wollen, können wir gar nicht umhin einigermaßen logisch zu argumentieren und einsichtig zu handeln. Die Verdinglichung geschieht in der Logik automatisch dadurch, daß sie ihr Objekt identifizieren muß. Das Objekt existiert oder es existiert nicht, es hat die und die Eigenschaft oder es hat sie nicht – tertium non datur.

Das Ich tritt in der Logik nicht auf, weil es die Voraussetzung der Logik ist. D.h. unsere Logik, die immerhin die Grundform unserer Rationalität bestimmt, ist eine Theorie ohne ein Subjekt, das denkt oder spricht. Die Logik macht formale Aussagen über Objekte, also wird das Subjekt, wird es zum Thema formalen Aussagens zum Objekt des Aussagens und bleibt als Metasubjekt ausserhalb des Satzsystems. Das Subjekt ist, so Schopenhauer, dasjenige, was Alles erkennt und von Keinem erkannt wird. Oder wie die Upanishaden lehren “Den Erkennenden kann man nicht erkennen.”.

Interviewer: Diese Situation ist doch bekannt. Hat nicht jede Dialektik - etwa die Frankfurter Schule - immer wieder darauf hingewiesen und gegen Verdinglichung angekämpft?

Klaus: Gewiß. Von philosophischer Seite ist Vieles geklärt worden, außer leider was denn Dialektik sein soll. D.h. es ist nie gelungen ein praxisrelevantes Werkzeug daraus zu entwickeln. In einer ähnlichen Situation befindet sich ja auch die systemische und organismische Therapie.

Interviewer: Warum eigentlich nicht?

Rudolf: Ganz einfach deswegen nicht, weil angenommen wurde - und dies nicht ganz zu unrecht, daß jede Formalisierung und Operativierung die Dialektik ähnlich wie die Logik verdinglichen müßte. Doch diese auf Hegel zurückgehende Annahme ist falsch.

Interviewer: Woher stammt die PKL, wo ist sie entstanden, welche Erfahrung stehen dahinter?

Rudolf: Im deutschsprachigen Raum ist die Kybernetik eine technische Wissenschaft der informationellen Steuerung und Regelung von Systemen in Absehung der Aktivität des Designers. Die amerikanische Second Order Cybernetics – aber auch die ehem. sowjetische – unterscheidet sich radikal von dieser dadurch, daß sie eine Reflexion auf die logisch-strukturellen Grundlagen einer Einbeziehung des Designers in die Beschreibung von lebenden Systemen in Gang gesetzt hat.

Diese Arbeiten wurden in den sechziger und siebziger Jahren am “Biological Computer Laboratory” (BCL) der Universität von Illinois in Urbana, USA, 1956-1974 unter der Leitung Heinz von Foersters geleistet und haben einen Paradigma-Wechsel in der allgemeinen kybernetischen System- und Strukturtheorie eingeleitet, der erst heute seine vollen Auswirkungen zeitigt.

Gemeinsam am BCL sind entstanden: die Second order Cybernetics (Heinz von Foerster, Lars Löfgren, Gordon Pask), die Theorie autopoietischer Systeme (H. Maturana, F. Varela) und auch die Theorie polykontexturaler Systeme (Gotthard Günther).

Die Grunderfahrung war die folgende, Warren McCulloch, Neurophysiologe und Begründer der Kybernetik, kam zur Einsicht, daß der Sprachrahmen, in dem Fragen gestellt werden konnten, erschöpft war. Nachdem er mit Walter Pitts die Logifizierung des Nervensystems leistete und damit die Kybernetik einleitete, mußte er erfahren, daß die klassische Logik kein Fundament für seine Forschungen abgab. Es begann die Suche und Entwicklung neuer Logikansätze. In diesem Zusammenhang ist McCulloch dem Philosophen Gotthard Günther begegnet und hat ihn an das BCL nach Urbana vermittelt.

Interviewer: Wie grenzt ihr euch ab zu anderen Tendenzen? Es scheint doch eine gewisse Verwandtschaft zur Autopoiesetheorie (Maturana, Varela), zum Calculus of Indication, wie er z.B. in der systemischen Familientherapie der Heidelberger Schule eingesetzt wird, wie auch zur Rekursionstheorie von Foersters u.a. zu bestehen.

Konstruktivismus und die Theorie autopoietischer Systeme

Rudolf: Konstruktivismus und Autopoiesetheorie haben beide viel zur Klärung der Standpunktabhängigkeit unseres Wissens geleistet indem sie die Systemtheorie um eine Theorie des Beobachters ergänzt haben. Es ist jedoch nicht grundsätzlich gelungen, den durch die Einführung des Beobachters induzierten Solipsismus- und Relativismusverdacht zu entkräften. Der Hauptgrund für diesen Mangel besteht darin, daß es dem Konstruktivismus und verwandten Theorien nicht gelungen ist, den Beobachter selbst zu relativieren. Die Beobachtertheorie geht formal von einem einzigen Beobachter aus. Dieser eine Beobachter läßt sich zwar in seinen Beobachtungsfunktionen iterieren indem er Beobachtungen von Beobachtungen usw. generiert. Doch die Beobachter zweiter, dritter usw. Stufe folgen einander sukzessiv, sie sind nicht zugleich als Beobachter gleicher Stufe in Aktion. Nur wenn mindestens zwei Beobachter gleichwertig bzw. gleichursprünglich simultan und parallel agieren, haben sie die Möglichkeit die Relativität ihrer jeweiligen Standpunkte gegenseitig zu reflektieren.

Klaus: Daß diese Struktur in jeder Paartherapie auftaucht, versteht sich von selbst. Analog ist die Situation auch beim Konzept des Triple-Description (Position 1,2,3). Bekanntlich geht NLP, auch wenn dies nicht immer bewußt ist, in seinem Kommunikationsmodell von der Irreduzibilität der Ich/Du-Beziehung aus. Denn nur so kann der Andere als gleichwertiger Partner anerkannt werden. Oder wie beim triple description unendliche Rekursionen vermieden werden.

Rudolf: Gewiß. Doch damit ist noch lange nicht erklärt, wie diese Irreduzibilität zu verstehen ist und wie sie in der Praxis funktioniert. Ohne ein solches Verständnis wird die Differenz zwischen Du und Ich nivelliert auf die Anerkennung des Anderen als Ich und eben nicht als Du. Wenn der Andere ein Ich ist wie ich, dann ist der Unterschied aufgehoben und seine spezifische Autonomie geleugnet. Der Andere ist für sich ein Ich, nicht jedoch für mich; für mich ist er ein Du. Einzig die Anerkennung des alter ego als Du ermöglicht die gegenseitige Ent-deckung des blinden Flecks des jeweils Anderen.

2. PKL + NLP

Interviewer: Warum beschäftigt ihr euch mit der Logik und gar einer transklassischen Logik? Was ist der Anspruch eures Versuchs, ist er nicht zu akademisch?

Klaus: Es gibt gemeinsame Thematiken: Selbst-Thematisierung, Ent-Ontologisierung, Ent-Nominalisierung. Die Problematik der Paradoxien, Antinomien, Rekursionen, Zirkularitäten aber auch der Multi-Perspektivismus, die Komplexität, die operationale Geschlossenheit psychischer und sozialer Systeme. Dies alles sind Themen, die Überschneidungen und Anschlußmöglichkeiten aufweisen.

Interviewer: Wie grenzen sich diese PKL-Konzepte ab von anderen Formulierungen; könnt ihr ein Beispiel geben?

Zirkularität vs. Chiasmus.

Rudolf: Alle bekannten Ansätze zur Bestimmung von Subjektivität verwickeln sich in zirkuläre Figuren. Dies gilt selbstverständlich auch für Teil/Ganzes-Modelle oder Multi-Mind-Konzepte. Bei dem Selbstbezug wird Identität der Relationsglieder postuliert – etwas bezieht sich auf sich selbst. Die Zirkularität wird etwa als Uroboros-Figur, als re-entry oder als self-cross modelliert. Eine chiastische Modellierung geht davon aus, daß sich der Selbstbezug nicht im Modus der Identität/Diversität vollzieht, sondern durch die Unterscheidung von Selbigkeit/Gleichheit/Verschiedenheit über mehrere Kontexturen verteilt und vermittelt wird, so daß die Zirkularität aufrechterhalten werden kann ohne daß Widersprüche und Antinomien entstehen.

Klaus: Bekanntlich gibt es durchaus auch Kritik an NLP. So wird gerade von klassischen humanistischen Schulen darauf hingewiesen, daß die Programmierungsmetapher in der Praxis verdinglichend wirkt und zumindest zu Mißverständnissen und Trivialisierungen führt, andererseits wird von akademischer Seite auch die fehlende Wissenschaftlichkeit von NLP kritisiert.

Kybernetik: Erbe und Belastung

Klaus: Bandler und Grinder haben sich bei der Entwicklung des NLP ausgiebig kybernetischer, systemtheoretischer und linguistischer Methoden bedient. Heute stellt es sich heraus, daß sie damit auch wesentliche Grundannahmen übernommen haben, die sich einer Weiterentwicklung des NLP in den Weg stellen. Die Kybernetik auf die sich die Begründer des NLP beziehen konnten, wir heute historisch als Kybernetik erster Ordnung verstanden.

Rudolf: In der Zwischenzeit ist eine fundamentale Selbstreflexion der Kybernetik, eine Kybernetik der Kybernetik, vollzogen worden, da die Erfahrung gemacht wurde, daß die alten Konzepte für eine Konzeptionalisierung und Implementierung von Subjektivität nicht ausreichen.

Klaus: Der Wechsel von der klassischen Kybernetik zur Kybernetik zweiter Ordnung fehlt in der NLP-Theorienbildung wie auch im Bestreben neue Methoden einzusetzen. Hier ist eine grosse Rezeptionslücke, die nicht nur im Interesse einer Verwissenschaftlichung von NLP, sondern auch für eine Bereicherung der Methodik zu schließen ist.

Rudolf: Unser Projekt besteht daher darin, NLP mit den neuesten Forschungen kurz zu schließen und dies gemäß dem Neuro-Linguistisches Programmieren einmal mit

a) den Entwicklungen in der Neurobiologie und Neurokybernetik, insb. der Autopoiesetheorie,

b) der Linguistik, insb. ist der šbergang von der Chomsky-Linguistik zur nach-chomskyanischen Linguistik nachzuvollziehen und für NLP fruchtbar zu machen und

c) der Programmierung, hier ist NLP an das Gesellschaftsmodell etwa der objektorientierten Programmierung anzupassen.

Interviewer: Könnt ihr die einzelnen Punkte kurz erläutern?

Rudolf: Man kann sagen, daß alle drei Punkte eng mit dem šbergang von einem monolitischen und hierarchischen zu einem dezentralistischen, vernetzten und heterarchischen Modell verbunden sind. Dies hat enorme Konsequenzen für die therapeutische Modellbildung.

“You have put it in a nutshell.”

Klaus: Es wird in NLP oft übersehen, daß Bandler und Grinder nur einen Bruchteil der therapeutischen Tätigkeiten EriksonÂs modelliert haben. Wie er selbst kommentiert “You have put it in a nutshell”. Dies wird deswegen übersehen, weil die bestehenden Methoden überraschend produktiv sind. Es sollte aber nicht verschwiegen werden, daß seither nichts wesentlich Neues mehr dazu gekommen ist und daß die avancierteren Therapeuten die bestehenden Methoden bis zu einem gewissen Grad ausgereizt haben. Ich erinnere daran, daß das Konzept der Submodalitäten (Bandler) auf 1985, die Zeit-Linie (Grinder) auf 1988 und Dilts Glaubenssysteme auf 1990 zurückgehen. Wo sind die heutigen Innovationen?

Um auf die Frage zurückzukommen. NLP geht von einem sehr verkürzten Sprachmodell aus. Ausgehend von der Unterscheidung von Oberflächen- und Tiefenstruktur nimmt NLP an, daß die eigentliche Bedeutung einer Aussage in der Tiefenstruktur verankert ist und mithilfe geeigneter Interview-Techniken zugänglich gemacht werden kann. Was dabei erfragt wird, sind Bedeutungen, die eindeutig sind, auch wenn davon ausgegangen wird, daß jeder seine eigene Repräsentation der Welt leistet. Ein kommunikatives Modell der Sprache muß sich aber mit Problemen der Komplexität, der Ambiguität und der Selbstbezüglichkeit von Begriffen und Texten auseinandersetzen.

Rudolf: Es ist wichtig zu verstehen, daß die Chomsky-Grammatik ein Regelsystem darstellt, das logisch eindeutig ist. D.h. die Bedeutungen müssen kurz gesagt disambiguiert werden. Ambivalenzen und Selbstbezüglichkeiten müssen aus formalen Gründen ausgeschlossen werden.

Klaus: NLP geht doch davon aus, daß Wörter Repräsentationen darstellen, die über die Sinne vermittelt werden. Es bleibt völlig offen, wie und wo, auf welcher Ebene z.B. Submodalitäten repräsentiert werden, denn diese sind Differenzen z.B. hell/dunkel und nicht Repräsentationen.

NLP hat nur wenige Konzepte aus der Linguistik übernommen und bezieht sich bekanntlich fast ausschließlich auf den frühen Chomsky und auf Korzybski.

3. Ziel: Was versprecht ihr euch bei der Begegnung von NLP und PKL?

Klaus: NLP ist zur Einsicht gekommen, daß in der therapeutischen Praxis mehr und komplexeres geschieht als in der Theorie abgebildet ist. Dadurch entstehen unlösbare Konflikte im Selbstverständnis des NLP und in der Ausbildung; insb. besteht die Gefahr der Trivialisierung von NLP. Desweiteren wird NLP ein Mangel an Wissenschaftlichkeit vorgeworfen.

Unser Anspruch ist es, die theoretischen Grundlagen des NLP in praktischer Absicht zu erweitern. Es geht uns gewiß nicht um eine für die Praxis nebensächliche Szientifizierung. Es sollte nicht vergessen werden, daß aus der Praxis allein keine theoretische Erweiterung folgt – das Umgekehrte gilt gewiß auch. Unser Projekt will gegen Stagnation und Autoritätsgläubigkeit angehen.

Solange NLP auf einem sozusagen mittleren Reflexionsniveau verharrt und bloß Formate und Handlungsrezepte einsetzt, verzichtet es zu früh auf eine Theoretisierung.

Es ist zu beobachten, daß die NLP-Community auf der Suche nach vereinheitlichenden Konzepten ist. Es besteht das Bedürfnis, die heterogenen Methoden zusammenzuführen. Hier besteht die Gefahr der Vereinheitlichung und Dogmatisierung, da NLP selbst keine Theorie mitbringt, die Vielheit vermitteln kann. Hier ist die Polykontexturalitätstheorie genau die Theorie, die wir suchen. Die Vielheit der Kontexturen erlaubt eine größtmögliche Autonomie der einzelnen Standpunkte und Methoden und einen vermittelten Zusammenschluß.

NLP hat eine Reihe sehr mächtiger Methoden und Formate für die Kommunikation und Therapie entwickelt. Das ist unbestritten. Es fehlt jedoch eine Pragmatik, die angibt, welche Formate wann und wie zum Einsatz kommen sollen. Hier ist der Therapeut vollständig auf seine Intuition angewiesen. Hier hilft ihm nur seine Erfahrung, die er in der Ausbildung und in der eigenen Praxis gemacht hat.

Wir sind der Meinung, daß sich hier mehr machen läßt. Es muß möglich sein, ein Pragmatik der Anwendung der Formate zu entwickeln. Damit wird die therapeutische Intuition natürlich nicht ersetzt, sondern freigestellt für komplexere konkretere Einsichten und Entscheidungsfindungen in der jeweiligen Situation. D.h. sie soll als Instanz nicht belastet werden mit Strukturen, die sehr wohl bewußt gemacht und operationalisiert werden können. Die unbewußte Kompetenz kann an den Kalkül abgegeben werden.

Rudolf: M.a.W., die Kreativität der Intuition soll von Ritualen befreit werden.

Der blinde Fleck von NLP kann nicht innerhalb und mit den Methoden von NLP selbst ent-deckt werden. Hier ist von der PKL ein Instrumentarium zur grundlagentheoretischen Reflexion zu erwarten. Der blind Fleck eröffnet ja nicht nur den Spielraum von Handlungsweisen, er steckt auch notwendigerweise seine Grenzen ab.

Wir können nicht sehen, daß wir nicht sehen, was wir nicht sehen.

Klaus: Der blinde Fleck des NLP ist die Tatsache, daß sich das Ich immer wieder einer Entnominalisierung entzieht und dadurch einer Verdinglichung ausgeliefert ist.

4. Könnt ihre die Argumentation an einigen Beispielen konkretisieren

Die logischen Ebenen

Klaus: Robert Dilts hat die logical levels bekanntlich eingeführt, um eine hierarchische Ordnung zwischen Identität, Glaubenssätzen, Fähigkeiten, Verhaltensweisen und Umgebung zu etablieren. Die Identität hat dabei die höchste logische Kraft und bestimmt die restlichen Systeme.

Rudolf: Die Konzeption der logische Ebenen geht auf Gregory Bateson zurück. Bateson hat sie in Anlehnung an die allerdings sehr viel strengere Theorie der logischen Typen von Russell/Whitehead für seine Lern- und Kommunikationstheorie entwickelt. Es gab mit den logical levels immer Probleme: subjektive Leistungen bewegen sich immer simultan auf mehreren Ebenen. Also, es gibt keine Kognition ohne simultane Volition, keine Wahrnehmung ohne gleichzeitige Bewegung usw. Diese gegenläufigen und über mehrere Ebenen verteilten Prozesse lassen sich typentheoretisch nicht darstellen. Genausowenig wie die chiastische Zirkularität, die damit verbunden ist. Die Typentheorie wurde ja gerade dazu erfunden um Zirkularitäten jeglicher Art auszuschließen.

Klaus: Weil sie sehr schnell zu Antinomien und strange loops u.ä. führen.

Rudolf: Genau. Und diese erzeugen bekanntlich Widersprüche in formalen Systemen, die diese zerstören.

Klaus: Das Problem der fehlenden Zirkularität in den logischen Ebenen zeigt sich sehr schnell, wenn man die Spitze der Hierarchie, die Identität, erklären will. Hier schleichen sich automatisch Nominalisierungen ein, die für NLP kontraproduktiv sind. Die Wer-Frage, “wer bin ich?”, erfragt eine nominale Antwort: “ich bin der und der oder das und das”.

Rudolf: Ja, was fehlt ist die Bestimmung der Identität mithilfe der als-Funktion, “ich als der und der bin das und das”. Dies ermöglicht automatisch eine Dynamisierung, d.h. Ent-Nominalisierung der Identität. Verlangt aber sofort nach einer nicht-hierarchischen Struktur. Solche nicht-hierarchischen, sondern nebengeordneten, d.h. heterarchischen Strukturen lassen sich in der PKL in beliebiger Operativität darstellen.

Klaus: Dies alles hat natürlich enorme Konsequenzen auch für den Strategiebegriff, wenn nicht-hierarchische Methoden eingebracht werden können. Strategien sind ja sequentiell, nach Input-output-Systemen konzipiert und lassen verschiedene miteinander vermittelte und daher gleichzeitig ablaufende strategische Prozesse, wie sie in psychischen und sozialen Systemen die Regel sind, nicht erfassen.

5. Wie soll das alles unterrichtet werden?

Klaus: Wir haben vor, eine Reihe von interdisziplinären Veranstaltungen durchzuführen. In Seminaren und Kursen wollen wir neue Gebiete erforschen, Einübungen in einen neuen Denkstil vorführen und neue Formate entwickeln, die die Operativität von NLP vertiefen und erweitern werden.

Unser erstes Seminar “Polykontexturale Logik und NLP” war eine Einführung in die PKL bezogen natürlich auf NLP. Wir werden an einer Logik der Subjektivität arbeiten, die eine Einbeziehung des Beobachters in den Beobachtungsprozeß erlaubt und uns mit den Konsequenzen für das Konzept des Meta-Mirrors und der Triple-Description (Rekursion vs. Heterarchie) u.a. beschäftigen. Entsprechend haben wir uns in unserem zweiten Forschungsseminar Der Ort des Denkens im NLP mit Fragen des Ich-Designs im Sinne einer chiastischen Verortung des Ichs im Netz des Selbst beschäftigt.

Ein weiteres Seminar “Submodalitäten – the difference that makes the difference?” wird sich dem Thema Submodalitäten und den Theorien von Bandler und Woodsmall widmen. Dabei werden wir auch auf die Sprachkritik des Dekonstruktivismus (Derrida), die Unterscheidungstheorie von George Spencer Brown und auf die Kenogrammatik eingehen.

Rudolf: Solche kritische und innovative Arbeiten machen uns natürlich auch enormen Spaß

Klaus: und der steckt an!

6. Ausblick: was sind die weiteren Ziele und Visionen?

Klaus: Computer und NLP: Computeraided Therapy.

Entlastung der therapeutischen Intuition durch Simulation von typischen Situationen und Formaten.

Rudolf: Massenpsychologie vs. Vernetzte Kommunikation.

Nicht umsonst hat sich während des Woodstock-Revivals das Internet als der eigentliche Ort der Vermassung erwiesen. Wenn NLP sich dem Problem der Vermassung stellen will, dann kann es sich auf Dauer nicht behaupten, wenn es sich auf das Terrain archaischer Formen der Massenpsychologie und Massenhysterie begibt. Dann ist der Weg zur Scharlatanerie und Selbstdiskreditierung vorgezeichnet (siehe dazu den Artikel in MultiMind, Heft (??), 1995 über Toni Robbins).

NLP hat sehr wohl seriöse Möglichkeiten, sich von den Einzelsituationen zu lösen und zwar dadurch, daß die jeweiligen Formate in einer Operativität formuliert sind, die sie allgemein zugänglich machen. D.h. es müssen dialogfähige Formate entwickelt werden, die jedem über das jeweilige Netz zugänglich gemacht werden können.

Klaus: Ausblicke sehen wir im Human Engeneering und der Übernahme von Techniken des Virtual Reality. Hier kann die Öffentlichkeit demnächst mit einigen Überraschungen unsererseits rechnen.


Literatur

Gotthard Günther “Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik.”, Bd. I, II, III, Felix Meiner Verlag, Hamburg 1976, 1979,1980

Gotthard Günther “Das Bewusstsein der Maschinen. Eine Metaphysik der Kybernetik.”, Agis Verlag, Baden-Baden 1963

Rudolf Kaehr “Disseminatorik: Zur Logik der `Second Order Cybernetics'. Von den `Laws of Form' zur Logik der Reflexionsform.”, in: Dirk Baecker (Hrg.), “Kalkül der Form”, stw 1068, Suhrkamp, Frankfurt/M 1993

Rudolf Kaehr Interview in: “Freistil oder Die Seinsmaschine.” Mitteilung aus der Wirklichkeit von Thomas Schmidt, (Sendung 1991, WDR 3), TAG/TRAUM Film- u. Videoproduktion GmbH, Weyerstr. 88, Köln

Kurt Klagenfurt “Technologische Zivilisation und transklassische Logik. Eine Einführung in die Technikphilosophie Gotthard Günthers.”, stw 1166, Suhrkamp, Frankfurt/M 1995

Wyatt Woodsmall “Cybernetic Epistemology.”, 1992

 

Die Autoren

Dr. Rudolf Kaehr wurde 1942 in der Schweiz geboren, studierte an der Freien Universität Berlin Philosophie und Mathematik, promovierte bei dem Philosophen und Grundlagenforscher der Kybernetik Gotthard Günther in Hamburg. Von 1986 bis 1990 leitete er das Institut für theoretische Biowissenschaften an der Privaten Universität Witten/Herdecke. Lehrte an verschiedenen Universitäten. Er ist als freier Grundlagenforscher tätig. Forschungsprojekte, zuletzt “Theorie komplexer biologischer Systeme.” (Volkswagen-Stiftung). Beratertätigkeiten mit THINK GmbH, Synapse Stuttgart, Tesof Berlin und IFF-Klagenfurt.

Klaus Grochowiak, Jahrgang 50, ist Master-Trainer der International NLP Trainer Association (INLPTA) sowie Trainer der Society of Neuro-Linguistic Programming, Bandler & Associates. Seit 10 Jahren arbeitet er als Management-Trainer für namhafte deutsche Unternehmen, als Therapeut und NLP-Trainer (Practitioner, Master, Trainers-Training) in freier Praxis.

Copyright 1995 Dr. Rudolf Kaehr. This material may be freely copied and reused, provided the author and source are cited



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